Abschied für immer

28.10.2011, 09:00 Uhr
Abschied für immer

© Hans-Joachim Winckler

Sie lächelt. Trotz der Schmerzen. Zum Abschied umfasst Yuna Abaya mit beiden Händen die Rechte ihres Gegenübers und verbeugt sich. Sie weiß, dass sie den Menschen im Klinikum – und einigen anderen – viel zu verdanken hat. Auch wenn der gemeinsame Kampf gegen den Krebs verloren ging.

Als die Ärzte der Ostafrikanerin vor einiger Zeit sagten, dass sie in wenigen Monaten sterben werde, äußerte sie nur einen Wunsch. Sie wolle zurück in ihr Heimatland, zu ihrer Familie, ihren Kindern. Der Wunsch wird in Erfüllung gehen.

Yuna Abaya trägt eigentlich einen anderen Namen, doch der soll ebenso wenig in der Zeitung erscheinen wie ihr Gesicht auf einem Foto. Die 50-Jährige fürchtet Repressalien bei der Rückkehr.

Yuna Abaya kam vor über eineinhalb Jahren nach Deutschland; zunächst zur Erstaufnahme für Asylbewerber in Zirndorf, anschließend in eine Unterkunft für kranke Flüchtlinge in der Fronmüllerstraße in Fürth. Eine schwerkranke Frau, die eine Chemotherapie benötigt – „das war das Einzige, was ich anfangs von ihr wusste“, sagt Franz Ganster. Der Sozialarbeiter von der Caritas versuchte ihr in den folgenden Monaten eine Stütze zu sein. Don’t give up, gib nicht auf, war einer der Sätze, die immer wieder fielen.

Ganster arbeitet schon seit vielen Jahren mit Flüchtlingen und in dieser Zeit hat er eine Veränderung beobachtet. Zu den klassischen Gründen, weshalb Menschen ihre Heimat verlassen – Verfolgung, Armut oder Naturkatastrophen – ist ein weiterer hinzugekommen: die schlechte medizinische Versorgung in den Herkunftsländern. „Sie hoffen, dass sie in Europa Hilfe erhalten“, sagt Ganster und ergänzt nach einer kurzen Pause: „Um zu überleben.“

Medikamente im Reisekoffer

Inzwischen hat sich die Rechtslage bei Asylbewerberverfahren dieser Entwicklung angepasst, schildert der Sozialarbeiter. Auch Yuna Abaya erhielt deshalb ein Bleiberecht. Ende Mai 2010 wurde sie im Klinikum operiert. Wegen der Chemotherapie pendelte sie zwischen dem Wohnheim in der Südstadt und stationärer Behandlung im Krankenhaus. Franz Ganster beschreibt sie als eine „starke, liebenswerte Frau“. Im Wohnheim habe man sie wegen ihres ausgleichenden Wesens geschätzt. Als eine Mitbewohnerin einen Nervenzusammenbruch erlitt, kümmerte sie sich. Ihrer eigenen Probleme zum Trotz.

Doch der Krebs ließ sich auch mit vier Chemotherapien nicht besiegen. Schließlich nahmen sich der palliativmedizinische Dienst am Klinikum und die Ehrenamtlichen vom Hospizverein Fürth der Frau an. Wenn es so weit ist, geht es nicht mehr um Heilung, sondern um „beschützen und begleiten“. Darum, „alles, was Leid verursacht, zu reduzieren“, wie der behandelnde Arzt Dr. Ulf Prudlo sagt. Und darum, einen letzten Wunsch zu erfüllen. Yuna Abaya will nach Hause. Damit sie den Flug übersteht, holen ihr die Fürther Ärzte vier Liter Wasser aus der Lunge. Sie führen eine künstliche Rippenfellentzündung herbei, um Rippen- und Lungenfell zu verkleben. Auf diese Weise soll sich kein Wasser mehr einlagern. Ein Köfferchen mit Medikamenten wird ihr die letzten Tage erleichtern. Alles ist bereit, die Zeit drängt. Nur die Botschaft ihrer Heimat verschleppt es, wichtige Papiere zu schicken. „Das habe ich schon oft erlebt“, klagt Franz Ganster.

Dann, endlich, kommen die Unterlagen. Roland Hanke vom Hospizverein kann das Flugticket buchen, das sein Verein aus Spenden bezahlt. Zum Abschied gibt es einen Teddybären und einen Plüsch-Schutzengel. „Ich habe sehr stark abgenommen, fühle mich müde“, sagt Yuna Abaya, aber sie lächelt. Sie wird zu ihrer Familie zurückkehren, zu ihren Kindern, 20 und 30 Jahre alt, die sie eineinhalb Jahre lang nur am Telefon gesprochen hat. In ihrer vertrauten Umgebung wird sie diese Welt verlassen.

In Deutschland hat man sie nicht heilen können, aber sie weiß, dass die Menschen alles Erdenkliche dafür getan haben. Vielleicht wird sie zuhause davon erzählen.

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