Als das Fürther Mütterzentrum eine große Familie wurde

21.9.2016, 11:00 Uhr
Als das Fürther Mütterzentrum eine große Familie wurde

© Foto: Thomas Scherer

Es war, wie oft im Leben, eine kleine Veränderung, die den Anstoß gab für etwas Neues. 2002 zog das Mütterzentrum aus der Friedrichstraße um an den jetzigen Standort in der Gartenstraße. Plötzlich, so erinnert sich Kerstin Wenzl, Leiterin des Mehrgenerationenhauses Mütterzentrum, „kamen viele ältere Menschen zu uns“.

Als das Fürther Mütterzentrum eine große Familie wurde

© Archivfoto: Winckler

Sie waren vor allem am Café interessiert, das im Erdgeschoss des Hauses untergebracht ist. Ob man sich da wohl auch mal ein paar Stunden aufhalten könne, ohne viel konsumieren zu müssen, wollten sie wissen. Der wöchentliche Kartel- und Spieletreff der Senioren stand nämlich auf der Kippe, weil ihn sich viele nicht mehr leisten konnten. Aus dieser Anfrage heraus entstand ein offener Spielenachmittag für ältere Bewohner des Viertels und des Seniorenheims Curanum, das gegenüber dem Mütterzentrums liegt.

Später kamen dann die Mädchen und Jungen aus Kindergarten und Hort dazu, und alle vergnügten sich gemeinsam bei Halma, Schach und anderen Spielen. Schnell entwickelten sich weitere Kooperationen. Bald waren etwa Kinder bei den wöchentlichen Ausflügen dabei, die Ergotherapeuten mit den Bewohnern des Seniorenheims unternahmen.

Als Wenzl und ihre Mitstreiterinnen 2006 davon erfuhren, dass das Bundesfamilienministerium ausgewählte Mehrgenerationenhäuser finanziell fördern möchte, stand für sie fest: Wir bewerben uns! Schließlich, so Wenzl, hatten sie schon etliche der verlangten Projekte umgesetzt. Im August 2006 gab es gute Nachrichten aus Berlin. Kerstin Wenzl erinnert sich noch gut an den Anruf des damaligen Sozialreferenten der Stadt, der ihr mitteilte, dass Fürth eines der ersten 50 Mehrgenerationenhäuser Deutschlands hat. „Da sind wir alle ein wenig durchgedreht und haben uns erst einmal ein Gläschen Sekt gegönnt“, sagt die 49-Jährige.

Das Ministerium unterstützte das Haus fortan mit 40 000 Euro im Jahr und stellte außerdem eine wissenschaftliche Begleitung zur Verfügung, in deren Zuge immer wieder herausgearbeitet wurde, wie sich das Angebot verbessern lässt und auf welche demografischen Entwicklungen man reagieren sollte. Der einzige Wermutstropfen: Der Antrag auf die Fördermittel musste jedes Jahr neu gestellt worden, was für alle Mitarbeiter immer auch eine Hängepartie bedeutete. „Wir wussten nie sicher, ob wir im September noch unseren Job haben würden.“

Das Aus für viele Adressen

2012 kam ein weiteres Problem hinzu: Das Ministerium stellte künftig nur noch 30 000 Euro, die übrigen 10 000 Euro sollte die Kommune finanzieren. „Für viele Mehrgenerationenhäuser war das das Aus“, sagt Wenzl. Ihr Haus dagegen konnte auf die volle Unterstützung der Stadt setzen, die, so Wenzl, das Projekt schon immer wertgeschätzt habe.

Seit das Haus in der Gartenstraße nun offiziell ein Mehrgenerationenhaus ist — in Bayern gibt es mittlerweile 79, bundesweit 450 — hat sich viel entwickelt. Noch intensiver ist das Miteinander der Generationen inzwischen geworden. Etwa durch das Projekt „Omas gute Stube“, das es seit 2012 gibt. Seniorinnen kümmern sich hier ehrenamtlich und stundenweise um Kleinkinder, damit deren Mütter Besorgungen oder Arztbesuche erledigen können.

Brigitte Göppl ist von der ersten Stunde an dabei. Die quirlige 68-Jährige genießt es, den Kleinen Zeit zu schenken, dabei auch Frauen ihres Alters zu treffen und ab und zu auch mal einer jungen Mutter mit einem Ratschlag weiterhelfen zu können. Das Mütterzentrum stellt den Raum dafür zur Verfügung, was hilfreich ist: Schließlich seien die Wohnungen der meisten älteren Menschen nicht mehr auf Kinder ausgerichtet, so Wenzl.

Der Austausch zwischen Alt und Jung sei heute so wichtig wie nie zuvor, sagt die Mehrgenerationenhaus-Leiterin. „Viele Familien haben keine Großeltern vor Ort, bräuchten aber gerade von ihnen mal einen Tipp.“ Sie beobachtet, dass besonders auf Müttern ein immenser Druck lastet. Sie müssten Kinder, Job und Partnerschaft unter einen Hut bringen, nicht selten verlangt ihnen das alles ab.

Diese Problematik wird das Mehrgenerationenhaus in den nächsten Jahren weiter beschäftigen, dazu kommt das Thema Migration ebenso wie die Frage nach dem Wohnen im Alter. „Mein Traum wäre es, irgendwann auch Mehrgenerationenwohnen anbieten zu können“, sagt Wenzl. Ihre Einrichtung könnte dafür ein Impulsgeber sein und beispielsweise Bauträger beraten. Für solche und ähnliche Projekte dürfte das Team des Mehrgenerationenhauses künftig etwas mehr Zeit haben — dank einer Art Geburtstagsgeschenk aus Berlin.

Seit September steht nämlich fest: Das Fürther Haus wird, wie einige andere, künftig als „dauerhafte Einrichtung“ gefördert. Der jährliche Antrag auf Fördermittel fällt damit weg; künftig fließt vier Jahre lang finanzielle Unterstützung aus der Hauptstadt in die Gartenstraße, erst danach muss das Geld wieder neu angefragt werden. http://www.muetterzentrum-fuerth.de

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