Ausstellung im Fürther Stadtmuseum zeigt Atomkatastrophen

9.3.2016, 06:00 Uhr
Ausstellung im Fürther Stadtmuseum zeigt Atomkatastrophen

© Foto: Berny Meyer

Die deutsche Sprache ist eine schöne Sprache. Und sehr flexibel. Sie verkettet verschiedenste Substantive zu einem einzigen Begriff. So entstehen Wortungetüme wie „Atommüllendlagersuchkommission“. Oder sie setzt einem Superlativ noch eins drauf: So wird aus dem GAU, dem „größten anzunehmenden Unfall“, ein Super-GAU.

Auch Japanisch ist eine schöne Sprache. Wer vermutet Arges bei einem Begriff wie Hibakusha? Er bedeutet Strahlenopfer und galt ursprünglich für die Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki. Inzwischen erstreckt sich Hibakusha auf alle Menschen, die direkt oder indirekt von den Folgen militärischen wie zivilen Gebrauchs der Atomkraft betroffen sind, sei es als Techniker, als Kriegsopfer, sei es als Anwohner oder als Retter, wie sie in Tschernobyl zu Tausenden verheizt worden waren.

Es gibt die spektakulären Katastrophen wie die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki, wie die Havarien in Harrisburg, Tschernobyl und Fukushima. Es gibt aber auch die stillen Katastrophen wie den schleichenden Tod entlang des Sperrgebiets von Los Alamos, wo die Amerikaner die allererste Atombombe zündeten. Die Krebsrate in der Bevölkerung ist steil angestiegen, von einer Entschädigung ist nicht die Rede. Ebenso wenig wie bei den Anrainern der Anlagen Windscale in England und La Hague in der Normandie. Vergebens harren die Ureinwohner des Bikini-Atolls und Französisch-Polynesiens auf Entschädigung. „Noch nach all den Jahren schockiert mich immer noch die Beschwichtigungspolitik, mit der die Opfer im Stich gelassen werden“, empört sich die Co-Organisatorin Gisela Hirth.

Über deren und viele weitere Schicksale klärt die Ausstellung mit 16 Schautafeln auf, erklärt Ursachen, Folge-Ereignisse und Zusammenhänge, aber auch die Langzeitfolgen und die Versuche, sie in den Griff zu bekommen. Und schnell wird klar: Diese Technik ist nicht beherrschbar. Schon gar nicht in ihren Auswirkungen auf die folgenden Generationen.

Endlager für die Ewigkeit

Das sieht auch Hubert Weiger so. Der Vorsitzende des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) referierte über die Katastrophe von Fukushima, die sich am 11. März zum fünften Male jährt. Im Gegensatz zu Tschernobyl, das hierzulande stets als russisches Schrottprodukt dargestellt wurde, gilt die japanische Atomtechnologie als die effizienteste und sicherste von allen. Und doch hielten dem Erdbeben mit anschließender Flutwelle vier von sechs Reaktoren im Kraftwerk Fukushima nicht stand.

Was danach in Japan ertönte, war die vertraute Leier, wie sie bei allen zivilen Atomunfällen angestimmt wird: Die Betreiber belügen die Politik, die Politik belügt die Bevölkerung. Die Anwohner im Umkreis von 20 Kilometern wurden auf staatliche Anordnung evakuiert, sie alle haben Anrecht auf Entschädigung. Doch diese Summen sind fast nicht zu stemmen, zudem ist der Radius viel zu gering. Deshalb riet man den Anwohnern im weiteren Umkreis von bis zu 30 Kilometern, freiwillig ihr Heim zu verlassen – ohne Anspruch auf Entschädigung. „Wer jung und gut ausgebildet war und bei Verwandten unterkommen konnte, tat das auch“, erzählt Weiger. „So ist die japanische Mentalität, man stellt eigene Ansprüche zugunsten aller zurück. Zurück blieben die Alten und Armen.“

Dabei gab es bereits Überlegungen, das 200 Kilometer entfernte Tokio zu evakuieren. Wie aber evakuiert man eine Stadt mit 15 Millionen Menschen? Hätte der Wind nicht im letzten Moment gedreht, wer weiß, was dann geschehen wäre.

Zu den Langzeitfolgen von Fukushima gehören nicht nur das Sperrgebiet und die Verseuchung der Meeresküste. Dazu gehört auch das Erwachen der japanischen Zivilgesellschaft, die kritische Fragen stellt und sich nichts mehr gefallen lässt. „In Japan gilt heute noch die Direktive: Wer krank wird, wird krank aus Angst vor der Strahlung, nicht wegen der Strahlung selbst“, so Weiger.

Und in Deutschland? Zwar ist der Atomausstieg beschlossen und kaum umkehrbar, die Entwicklung regenerativer Energien befindet sich auf sehr gutem Wege. Und doch bleibt eine schier unlösbare Aufgabe. Wohin mit dem Atommüll? „Die ältesten Kulturspuren in Bayern sind sieben- bis achttausend Jahre alt“, resümiert Hubert Weiger. „Und wir suchen nach einem Endlager, das den Müll eine Million Jahre lang von den Kreisläufen der Natur fernhalten soll.“

Die Ausstellung ist bis zum 26. April im Stadtmuseum zu sehen.

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