Bilderbuch der Nachkriegszeit

10.5.2008, 00:00 Uhr
Bilderbuch der Nachkriegszeit

© Hans–Joachim Winckler

Wo Technik den Ton angibt, bleibt kaum noch Raum für das freie Spiel kreativer Kräfte. Neubauten mit verzierten Fassaden sind rar. Und Kunstwerke aus der Nachkriegszeit gelten gemeinhin als nicht mehr modern und fallen reihenweise Gebäudesanierungen zum Opfer. Allenfalls illegal kommt noch Farbe an Fassaden: dort nämlich, wo sich zum Leidwesen der Hausbesitzer heimlich Sprayer austoben und damit manchmal auch gegen die Eintönigkeit betonierter Lebensräume protestieren.

Wer mit offenen Augen durch die «Denkmalstadt» Fürth geht, kann nicht nur den außerordentlichen Reichtum großartiger Baudenkmäler bestaunen, sondern auch eine Fülle großflächiger Fassadenverzierungen entdecken. Doch während Fürths alte Gemäuer längst eingehend untersucht und seine Besonderheiten ausführlich dokumentiert worden sind, gehört die Kunst am Bau aus den 50er und 60er Jahren noch zu den Stiefkindern der Kunsthistorie.

Das soll sich jetzt jedoch ändern. Ein Bericht in den Fürther Nachrichten über die Zerstörung eines großen Wandbildes bei der Wärmedämmung des Wohnhauses Leyher Straße 79 gab den Anstoß für eine einzigartige Dokumentation. Mit Digitalkamera und Notizblock durchstreiften die Fürther Bernd Kaag, Gerhard Ritter und Wilfried Höfler gehobenen Hauptes ihre Heimatstadt und hielten fest, was sie an den Fassaden Kunstvolles entdeckten. Der Arbeitskreis, dem sich auch Stadtheimatpfleger Alexander Mayer angeschlossen hat, ist auf dem Weg zur Vereinsgründung.

Vergeblich hatte sich bereits Mayers Vorgängerin Barbara Ohm darum bemüht, Kunst am Bau aus der Nachkriegszeit unter Denkmalschutz zu stellen. Mayer bohrt optimistisch weiter. Denkmalschutz für einzelne Kunstwerke hat er bereits beantragt. Etwa für die heute von Bäumen verdeckten Drahtplastiken an den Baugenossenschaftshäusern in der Herrnstraße. Diese können bei einer Wärmedämmung abgenommen und danach wieder angebracht werden.

Beispiele für gelungene Sanierungen gibt es bereits. Mustergültig erhalten wurde etwa ein Wandbild des Fürther Malers Johann H. Schmidt-Rednitz in prominenter Lage Ecke Ludwig-/Amalienstraße. Und an der Ecke Erlanger-/Friedenstraße wurde ein Taubenbild im Giebel nach der Renovierung als Fotokopie wieder aufgetragen. Durch Übermalen verschlimmbessert wurde hingegen ein Sgraffito (in den Putz geritztes Wandbild) in der Hardstraße 50. Durch Vereinfachung verfälscht wurde die Handschrift der Künstler Hans Langhojer und Georg Weidenbacher auch bei der Renovierung der Bildfenster der Burgfarrnbacher St. Marienkirche. Und von der geringen Wertschätzung der Optimismus ausstrahlenden Nachkriegskunst zeugt der ausgerechnet vor einem Sgraffito am Kinderhort Schießplatz ausgewiesene Mülltonnenstellplatz.

Bei ihren Recherchen stützen sich Kunst-Dokumentare auf illustrierte Berichte der Fürther Nachrichten. Hier ist der Originalzustand vieler Großwerke festgehalten. Während Kunstwerke in geschützter Lage, wie die vier Jahreszeiten von Hans Langhojer und Georg Weidenbacher im Innenhof des Wohnblocks Dr.-Schumacher-Straße 2-6 die Zeit unbeschadet überstehen, sind sie wie die aus dem Pavillon der Adenaueranlage in den Stadtpark versetzte Kriegsgefangenensäule von Karl Dörrfuß oder dem Verfall preisgegeben. Ein freistehendes Sgraffito von Langhojer/Weidenbacher neben der Freilichtbühne wurde bereits vollkommen zerstört.

Schlecht bestellt ist es auch um das große Langhojer-Mosaik an den Berufsschulwerkstätten in der Turnstraße. Zur anstehenden Wärmedämmung müsste es abgenommen werden. Kostenpunkt: über 200 000 Euro.

Das Dilemma zwischen Kunst-Bewahren und Gebäude-Sanieren hat auch der neue Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, Thomas Mörtel, kennengelernt. Als Architekt kämpfte er bereits mit dem Erhalt eines Sgraffitos an der Eltersdorfer Schule. Später hat er sich als Projektleiter im Fürther Amt für Gebäudewirtschaft Gedanken über Kunst am Neubau der Maischule gemacht. «Viele moderne Architekten wollen keinen Schmuck mehr, weil sie meinen, die Fassade spricht für sich», weiß der Fachmann. Als Zeichen der Bauzeit sollte man die historischen Wandbilder aber auf jeden Fall bewahren, meint Mörtel.