Dicke Luft am Rand der Flussauen

10.1.2012, 22:00 Uhr
Dicke Luft am Rand der Flussauen

© Hans-Joachim Winckler

Wie berichtet, hatte sich der örtliche Bund Naturschutz (BN) bereits zu Jahresbeginn heftig am Bau eines Ärztehauses an der Flutbrücke gerieben. Nun legt der Fürther BN-Vorsitzende Reinhard Scheuerlein nach und rückt drei weitere Schauplätze in den Blickpunkt: einige bereits errichtete Wohnhäuser am Rande des Wiesengrunds gegenüber der Polizeiinspektion sowie geplante Wohnkomplexe in Brachen an der Vacher Straße nahe der Billinganlage und in der Cadolzburger Straße neben dem Hardsteg. In allen Fällen, so Scheuerlein in einem Brief an den OB, werde viel zu nah an das Landschaftsschutzgebiet herangerückt — „zunehmend bis an die äußerste Grenze des Vertretbaren und manchmal auch darüber hinaus“, wie er meint. Mehrfach sei man von gültigen Bebauungsplänen abgewichen.

Dicke Luft am Rand der Flussauen

Seine Vermutung: „Offenbar soll eine bauliche Entwicklung ohne Rücksicht auf Verluste im innerstädtischen Landschaftsraum durchgesetzt werden.“ Dies erfülle den BN „mit größter Besorgnis“. Man halte es für dringend erforderlich, das Bewusstsein für einen sensiblen Umgang mit dem „großartigen Naturerbe“ der Fürther Talauen in Stadtverwaltung und Stadtrat zu schärfen, und wünsche sich „mehr Selbstbewusstsein“ der Kommune im Umgang mit den Begehrlichkeiten von Investoren.

Das sind Töne, die dem Rathauschef, immer mal wieder im Clinch mit der örtlichen Führungsebene des BN, gehörig gegen den Strich gehen, wie er auf FN-Anfrage erkennen ließ. „Da wird weit übers Ziel hinausgeschossen“, sagt Thomas Jung. Denn am Schutz der Flusstäler wolle niemand rütteln, „geradezu heiliges Gut“ seien sie doch in Fürth — nach wie vor.

„Ökologie hoch zehn“

Überhaupt verbiete es sich, am guten Willen der derzeitigen Verwaltung zu zweifeln. „Wir machen hier Ökologie hoch zehn“, findet der OB. Für die neuen Vorwürfe des BN habe er umso weniger Verständnis, als es sich bei allen Grundstücken um „ausgesprochene Schmuddelecken“ handle, über deren sinnvolle Nutzung sich nach seinem Empfinden alle freuen müssten.

Für eine differenzierte Einschätzung wirbt der städtische Baureferent Joachim Krauße. Der Naturschutz sei zwar ein zweifellos wichtiges Gut, „aber er hat nicht automatisch Vorrang“, so Krauße im Gespräch mit unserer Zeitung. „Er enthebt uns nicht der Pflicht zur Abwägung mit anderen Belangen.“ In diesem Abwägungsprozess sei auch eine Entscheidung zugunsten der baulichen Vorstellungen eines Investors möglich, „so lange wir das noch für vertretbar halten“ — und zumal dann, wenn ein Areal so schwer an den Mann zu bringen sei wie jenes an der Flutbrücke.

Dort habe man sich tatsächlich entschlossen, zugunsten des Bauherren von dem vor 17 Jahren festgelegten Abstand zum Landschaftsschutzgebiet abzuweichen. Derartige Kompromisse bei Bebauungsplänen, die einst ohne ein konkretes Vorhaben vor Augen erstellt wurden, sind laut Krauße „fast die Regel“; für ebenso normal hält er unterschiedliche Auffassungen darüber, was dabei noch akzeptabel ist und was nicht, wie in den aktuell diskutierten Fällen.

Eines indes stellt Krauße klar: So unverzichtbar auch für ihn die Bewahrung der Flussauen sei, so wenig will er sich grundsätzlich darauf festlegen lassen, wie nah Gebäude an sie heranrücken dürfen. Einen im BN-Schreiben beschworenen, seit Jahren bestehenden Konsens über den Verzicht „auf eine allzu aufdringliche Bebauung“ an den Talrändern habe es nie gegeben, sagt Krauße.

Dennoch bleibt seinen Mitarbeitern weitere Arbeit nicht erspart: Auf Wunsch des BN werden sie nun einen ganzen Fragenkatalog zu Ausnahmegenehmigungen, eventuellen rechtlichen Problemen und baulichen Details abarbeiten müssen.

 

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