Die Beherrscherin des Chaos

18.6.2014, 13:55 Uhr
Die Beherrscherin des Chaos

© Mark Johnston

„raging vortex“, das klingt nach Science-Fiction. Das bedeutet so viel wie „schäumender Strudel“ oder „wallender Wirbel“, und wer sich in einem Wirbel aus Wind oder Wasser oder gar auf einem Kettenkarussell befindet, dem vergehen schnell die Sinne. Doch nach dem Sinnenschock folgt oft das Verlangen nach mehr. Dann torkelt man leicht desorientiert über die Kärwa – und löst nach einer halben Stunde nochmal ein Ticket.

Auch die Bilderwelten von Gabriela Dauerer üben auf Aug’ und Hirn ihren Reiz aus. Auf schwarzem Grund strömt eine Vielzahl bläulicher und gelblicher Striche wie gedehnte Tropfen. Diese Scharen krümmen und ballen sich, begegnen weiteren Kurven und umschmiegen einander. Das Auge folgt den Linien, aber eine gesteuerte Raumerkundung des Bildes ist kaum möglich. So gesehen ist ein Bild wie „Individuals Vortex“ wie ein Irrgarten, bloß ohne Sackgassen, die zur Umkehr zwingen.

Ein wenig erinnern diese Bilder an Vincent van Goghs „Sternennacht“. Oder an Langzeitbelichtungen des Sternhimmels, bloß ohne die Ausrichtung auf den Polarstern. Bei näherem Hinsehen entdeckt man noch ein weiteres Phänomen. Hinter den strömenden Farbstrichen geistert nebulös eine beige Farbschliere, so fein wie die Milchstraße.

Gabriela Dauerer, Jahrgang 1958, hat an den Akademien der Bildenden Künste von Nürnberg und Nizza studiert. Ursprünglich hatte sie sich der gegenständlichen Malerei gewidmet, von der auch in dieser Ausstellung Collagen und Übermalungen von Hochglanzmodels zeugen. Im Lauf der Jahre wandte sie sich aber von der gegenständlichen Malerei ab, „weil die Fotografie das viel besser kann“.

Ihre Bildwelten begreift Gabriela Dauerer als ein „geordnetes Chaos“, wobei die Ordnung nicht beabsichtigt ist, sondern sich wie von selbst einstellt. Ist das nun eine dekorative Malerei, bloße Ornamentik? Nein, denn diese Gemälde lösen durchaus ungeahnte Gefühle aus, wie die Malerin erzählt. Gabriela Dauerer stemmt sich gegen die Bilderflut der Gegenwart, „eine Flut, die uns nicht nur überfordert, sondern auch manipuliert“. Ihre Konstruktionen aus Form und Farbe hingegen stellen das Auffassungsvermögen des Betrachters vor ein Rätsel, denn das Gehirn weiß mit diesen Mustern nichts anzufangen und sucht nach Assoziationen und Deutungen. Somit wird jeder Betrachter auf sich selbst zurückgeworfen.

Nun mag man sich von Dauerers Wirbelbildern durchaus selbst überschwemmt und mitgerissen, vielleicht auch überfordert fühlen. Aber es ist wie beim Baden im Meer. Man kann sich dem Wellengang widersetzen und seine Kräfte verausgaben. Oder man kann sich von den Wellen wiegen lassen.

Bis 12. Juli im Art Room, Gebhardtstraße 2. Di. bis Fr. 16 bis 20 Uhr, Sa. 15 bis 19 Uhr.

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