Die Sache mit dem Schnürhaken

28.6.2013, 10:27 Uhr
Die Sache mit dem Schnürhaken

© Thomas Scherer

Das ist ja ein hübscher Titel für einen Abend im heimeligen Familienkreis. Blöd nur, dass „Fein sein, beinander bleibn“ im Stadttheater Fürth einen hohlen Klang hat. Abgesehen davon, dass die Wells glücklicherweise nicht allzu fein daher kommen, trat auf dieser Bühne im Januar 2012 zum letzten Mal die Biermösl Blosn auf. Danach war Sense für das Brüder-Terzett, das der Volksmusik nachhaltig die Tümelei austrieb. Jetzt sind zwei Drittel der Kult-Blosn zurück: Christoph und Michael Well haben nun aber Bruder Karl dabei und dazu die Wellküren, sprich die Well-Schwestern Bärbi, Burgi und Moni.

Sechs aus 15 sind das. Mutter Traudl brachte nämlich in zwanzig Jahren 15 Kinder auf die Welt. Ein jedes davon hat mitgemischt bei der Stubnmusik im Lehrerhaus, Instrumente gelernt und den Dreigesang. Traut klingt das, wie eine Mischung aus Trapp- und Kelly-Familie – was ein ebenso rührseliges wie falsches Bild ist, das die Brüder und Schwestern vor Jahren schon energisch aus den Köpfen des Publikums verbannten. Wie es tatsächlich zugeht in einer 17-köpfigen Großfamilie, das ist das eigentliche Thema dieses Abends, für den die Geschwister seit der Premiere in den Münchner Kammerspielen gefeiert werden.
 

Mit feiner Selbstironie

Bequem aus dem Zuschauerraum lässt sich begutachten, was die Akteure hübsch selbstironisch als „Familienaufstellung auf volksmusikalischer Basis“ bezeichnen. Herzhaft gestritten wird und mit Inbrunst Legendenbildung betrieben. Denn noch ist nicht geklärt, wer dem dreijährigen Christoph, genannt Stofferl, einst den Schnürhaken so über die Nase gezogen hat, dass der arme Kerl fast verblutet wäre...

Ein feines Leitthema hat Liederabend-Meister Franz Wittenbrink (Regie) damit gefunden. Einer nach dem anderen darf seine Tat-Version vortragen („Die ganze Kartoffelsalatschüssel hat er voll geblutet, aber wirklich gelitten hab’ ich, als es drei Tage später aus der gleichen Schüssel wieder Salat gab“). Stefan Merki spielt als einziger Nicht-Well mit und laboriert als Einzelkind und Schweizer („Oder?“) nachfühlbar am Familien-Schock.

Vor allem aber machen die Wells Musik. Und das ist absolut hochkarätig. Auf Brummtopf, Alphorn, Trompete oder Harfe hat das gemeinsame Spiel eine selbstverständliche Leichtigkeit, die so wahrscheinlich nur aus inniger Vertrautheit erwachsen kann. Einmalig ist der verwegene Mix der Truppe.

Es geht von Beethoven zu Bizet, von Angus Young ins Yellow Submarine. Wenn schließlich Super-Allrounder Stofferl die Lederhose tiefer rutschten lässt und zum 40-Cent-Milch-Rap ansetzt, dann ist selbst dieser Auftritt keine Persiflage, sondern eine authentische Nummer. Wie es möglich ist, kurz darauf ironie- und kitschfrei zum Andachtsjodler anzusetzen, bleibt ein Geheimnis.

Auf den Punkt treffen nach wie vor die Songtexte. Auch wenn die Tage, in denen die Biermösl-Blosn-Helden am offenen Nerv operierten, hier vorüber sind. Die Zeiten haben sich halt geändert, konstatiert Michael irgendwann. Nicht mal auf die CSU als Feindbild könne man sich derzeit noch verlassen.

Nur eines, so viel ist nach diesem fulminanten Auftritt sicher, ändert sich nie: die Familienbande. Die halten ganz offensichtlich sogar das Platzen der Blosn aus. Und Schnürhaken-Attacken. Starke Sache das.

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