Die Stadt Fürth ehrte ihre Kulturpreisträger 2014

18.11.2014, 21:00 Uhr
Die Stadt Fürth ehrte ihre Kulturpreisträger 2014

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Was passiert, wenn man ein Mentos in eine volle Colaflasche wirft? Rabauken aller Länder wissen Bescheid, der Rest der Welt aber auch. Befinden sich Politiker im Festakt-Modus, dann wollen auch sie einen Knaller-Satz von bleibendem Wert heraushauen, und so kam Bürgermeister Markus Braun – in Vertretung des in China weilenden Oberbürgermeisters – auf die Idee, den noch nie gehörten Sinnspruch zu bemühen, wonach Kultur „das Lebenselixier einer offenen Stadtgesellschaft“ sei.

Die Stadt Fürth ehrte ihre Kulturpreisträger 2014

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Das ist zu brav formuliert im Hinblick auf Andreas Oehlert; die Objekte, Zeichnungen, Fotografien des Fürther Künstlers wirken auf den Betrachter wie ein Schluck aus einer Pulle, in der mehrere Kaubonbon-Überdosen sprudeln. Wie vital, elektrisierend, verstörend und belustigend zugleich das Werk des unübersehbar gerührten Kulturpreisträgers ist, führt an diesem Abend ein Viertelstunden-Film aus den Händen des Fürther Medien-Praxis-Duos Julia Thomas und Thomas Steigerwald vor.

Oehlert von A bis Z

Zum zweiten Mal nach 2012 hatte das Kulturamt die beiden damit betraut, sich auf die Spuren der (Kunst-) Preisträger zu begeben, und das gelingt auch heuer mit anrührender Menschlichkeit und verständlicher Dramaturgie. Als das Licht wieder angeht und dann noch das Laudatoren-Paar Angela Wenzel und Thomas Heyden ein burleskes, höchstpersönlich gefärbtes Oehlert-Abc („Z“ war übrigens ein geistiges Getränk) zum Besten gibt, steht wirklich der Eindruck im Saal: An diesem Oehlert, dem Schöpfer dornenbekränzter Kitsch-Hirsche, dem Verarbeiter von 20 Kilometern Kunstwolle für eine Installation, die wie ein Kronleuchter ausschaut, dem Ornament- und Ironie-Virtuosen, an dem konnte und durfte kein Weg vorbeiführen.

Die Stadt Fürth ehrte ihre Kulturpreisträger 2014

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Riesenapplaus auch für zwei Musikerinnen, die in bald 20 Schaffensjahren die Fürther Kirchenmusiktage ins Lebenselixier-Bad geworfen haben. Die Kirchenmusikdirektorinnen Ingeborg Schilffarth (St. Michael) und Sirka Schwartz-Uppendieck (Auferstehung) teilen sich den mit 3000 Euro dotierten Sonderpreis Kultur und lieferten mit ihren singenden Mitstreitern Barbara Heß, Joachim Baumann und Michael Herrschel A-cappella-Feinkost, die den Nerv des Publikums in der randvollen Großen Halle herzensmittig traf. Die charmante Laudatio war Norbert Küber vorbehalten. Der Leiter der Wort-Redaktion im BR-Studio Franken und neue Vorsitzende des Fürther Kirchenmusikvereins pries die thematische Neuprofilierung des Festivals, die interdisziplinären Konzerte, das Engagement für Zeitgenössisches.

Die Stadt Fürth ehrte ihre Kulturpreisträger 2014

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Kirchenmusik werde dank Schilffarth und Schwartz-Uppendieck nicht nur retrospektiv erlebbar, „sondern bringt auch unsere heutige Zeit zum Klingen“.

Noch vor der Pause schlug die Stunde der Förderpreisträgerinnen (je 2000 Euro). Mit ihrer Erzählung „Mord“ belegte Sigrun Arenz, dass sie mit kühler Präzision und mit der Gabe zum effektvollen Überraschungscoup zu Recht zu den beliebten kriminal-literarischen Stimmen im Großraum zählt. Bei Kathrin Hausel gefror das Blut ebenfalls, aber aus anderen Gründen. Die bildende, im Kulturort Badstraße 8 aktive Künstlerin, die bald ihr drittes Kind erwartet, lässt sich im Medienpraxis-Film ebenfalls sympathisch unbefangen über die Schultern schauen; sie zeigt, wie ihr Alltag mit Alltagsmenschen-Gemälden im Atelier aussieht und lässt aufhorchen, als sie berichtet, die Ankunft des zweiten Kindes sei für ihren Galeristen Anlass gewesen, die Reißleine zu ziehen. „Empörend“, befindet Kulturreferentin Elisabeth Reichert nicht zu Unrecht und im Bemühen, an diesem Abend mehr zu sein als nur die städtische Blumenstraußverteilerin (die Urkunden händigt Braun aus). „Malen ist ein Kampf“, sagt Hausel unverdrossen im Film; sehr wohl könne man ein Leben als Familienmensch und Künstlerin leben.

Dass aber ein Festakt, der dreieinhalb Stunden dauert, tatsächlich nicht kaugummizäh sein muss, ist auch den Trägern der Leonhard und Ida Wolf Gedächtnispreise zu verdanken. Die Stadt Fürth verwaltet den Nachlass der beiden spendablen Fürther. Die Wahl der Jury fiel 2014 auf den in Würzburg studierenden Fürther Schlagzeuger Michael Höfner, Jahrgang 1991, auf Singer/Songwriterin Lena Dobler (1990) und auf Saxofonist Oliver Riedmüller (1991). Der Schliemann-Absolvent trug das Concertino Komponisten Günter Raphael vor und bekannte im Smalltalk mit Moderatorin Karin Schubert: „Neue Musik zu spielen, macht mir mehr Spaß. Ich bin ein Kind des 21. Jahrhunderts.“ Dobler, die in Regensburg studiert, aber in Fürth aufwuchs, bewies abermals mit zwei ihrer zur E-Gitarre begleiteten Songs, dass sie in der Silbermond- und Wir-sind-Helden-Liga locker mitspielen kann. Ein Song in japanischer Sprache, „Matte iru“ (Was soll das werden), machte den Saal still vor Staunen.

Eröffnet hatte den Festakt Höfner mit seinem Trio, zwei Klassikern von Ellington („Caravan“) und Rollins („Tenor madness“) und dem ersten Lacher. Antwort auf Schuberts Frage, was er mit dem Preisgeld vorhabe: „Bausparvertrag.“ Ein unverkrampfter, heiterer, erfrischender Abend.

 

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