Die Zeche wird erst später bezahlt

28.11.2010, 16:00 Uhr
Die Zeche wird erst später bezahlt

© Johnston

Stefanie Ammon ist nicht zu beneiden. Im Januar hat sie das Amt der Kämmerin im Fürther Rathaus übernommen, doch dass sich gleich bei den ersten Haushaltsberatungen unter ihrer Ägide ein derart schwarzes Loch im Stadtsäckel auftut, das hatte sie nicht erwartet. Die eine oder andere schlaflose Nacht, erzählt sie, haben ihr die finanzielle Misere der Stadt und die „ständig neuen Hiobsbotschaften“ bereits gebracht. Sie spüre großen Druck. „Man erwartet ja von mir“, sagt sie, „dass ich einen entscheidenden Beitrag leiste, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen.“

Lob erhält Ammon von ihrem obersten Dienstherren. Die Kämmerin beiße sich mit „größter Energie“ in ihre Aufgabe, sagt Oberbürgermeister Thomas Jung. Am 20-Millionen-Sparpaket, das der Stadtrat am Mittwoch verabschiedete, hatte die Finanzreferentin großen Anteil. Da aber viele der Sparmaßnahmen erst im Lauf der nächsten Jahre wirksam werden, wurde Ammon für das Jahr 2011 mit der gigantischen Lücke von 24,5 Millionen Euro konfrontiert – und das, obwohl die Stadt bereits plant, Kredite in Höhe von 17,6 Millionen Euro aufzunehmen. Eine weitere Schuldenaufnahme, um das Loch zu stopfen, erlaubt das Haushaltsrecht nicht.

Was also tun, um den gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben zu schaffen? Ammon hat eine Lösung gefunden – und geht davon aus, dass die Regierung von Mittelfranken, die den Haushalt genehmigen muss, beide Augen zudrückt. Der Kniff: Die Stadt verschiebt einige Zahlungsverpflichtungen auf die kommenden Jahre.

So müsste 2011 eigentlich – vorschriftsgemäß – das Minus von rund neun Millionen Euro aus dem Jahr 2009 ausgeglichen werden, stattdessen will die Stadt den Betrag in den nächsten drei Jahren abstottern. Ebenfalls müsste die Kommune 2011 für die Millionen-Verluste geradestehen, die das Klinikum 2005 angehäuft hat, doch auch diese Summe wird zum Teil geschoben.

„Wie jeder kluge Mann“

„Wir zahlen diese Beträge, wie jeder kluge Mann, eben in Raten ab“, hat OB Jung eine wohlklingende Erklärung parat. Dass die Stadt ihre Zahlungsverpflichtungen dann in den kommenden Jahren wie eine Bugwelle vor sich her schieben und irgendwann Schiffbruch erleiden könnte, weist Jung von sich. Ihn bestärkt die Tatsache, dass es in der nahen Zukunft nicht noch einmal derart hohe Verluste auszugleichen gilt wie 2011.

Das Klinikum beispielsweise hat es inzwischen auf eine schwarze Null gebracht (wir berichteten). Und auch das laufende Haushaltsjahr der Stadt entwickelt sich besser als erwartet. Ammon kalkuliert sogar mit einem Plus von fünf Millionen Euro, die prompt in die Rücklagen fließen und ebenfalls helfen sollen, die Finanzierungslücke zu schließen.

Zudem holt sich die Kommune drei Millionen Euro mehr als geplant vom Stadtentwässerungsbetrieb Fürth (Stef). Der Hintergrund: Als dieser 2004 in einen städtischen Eigenbetrieb umgewandelt wurde, übertrug ihm die Stadt Anlagen, Grundstücke und Gerätschaften im Wert von 85 Millionen Euro. Stef muss dieses sogenannte Trägerdarlehen mit Zinsen an die Stadt zurückzahlen. Schon seit Jahren stopft die Kommune mit diesem Geld Haushaltslöcher. 2010 holte man sich acht Millionen Euro aus dem Topf. 2011 werden es sieben Millionen statt der zunächst geplanten vier Millionen Euro sein. Doch auch diese Quelle wird versiegen. Ammon geht davon aus, dass 2014 zum letzten Mal Millionen vom Stef an die Kommune fließen werden.

Entlastung erfährt die Stadt dafür bei den Investitionen – allerdings erst mittelfristig. Im kommenden Jahr wird die Kommune 30,9 Millionen Euro und damit ähnlich viel wie 2010 in die Hand nehmen – hauptsächlich für die Sanierung von Schulen. Erst ab 2012 soll sich dieser Betrag bei etwa 20 Millionen Euro einpendeln – eine vergleichsweise bescheidene Summe angesichts der 50 Millionen Euro, die 2003 – in Jungs erstem Amtsjahr – ausgegeben wurden. „Damals war das noch nötig“, sagt der Rathauschef. Die Kämmerin pflichtet bei: „Der Investitionsstau ist inzwischen abgebaut.“ So sei beispielsweise der Großteil der maroden Straßen saniert. 2011 wird unter anderem die Instandsetzung der Graf-Stauffenberg-Brücke angegangen. 

Bei den Steuereinnahmen rechnet die Stadt nach dem dramatischen Einbruch wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise wieder mit einem leichten Anstieg. Bei der Gewerbesteuer kalkuliert Ammon mit einem Plus von 1,5 Millionen im Vergleich zum laufenden Jahr, auch deshalb, weil die Stadt – wie ebenfalls berichtet – die Steuer auf die Unternehmensgewinne erhöht hat. „Wir haben die Talsohle erreicht und sind dabei, uns herauszuarbeiten“, sagt Jung. Entwarnung könne man jedoch noch lange nicht geben.

Heißt das, Bürger und städtische Beschäftigte müssen sich auf weitere Sparrunden einstellen? „Jetzt müssen wir erst einmal das beschlossene Sparpaket umsetzen“, gibt sich die Kämmerin zurückhaltend, und der Oberbürgermeister verweist darauf, dass man erst im Frühjahr, wenn die nächste Steuerschätzung erwartet wird, mehr sagen könne. Und: Im Frühjahr wird auch die Regierung entscheiden, ob sie den Haushalt der Stadt Fürth genehmigt. Nicht auszuschließen, dass sie die Kommune zu weiteren Sparrunden verpflichtet.