Die Zeugen dunkler Tage

12.4.2010, 00:00 Uhr
Die Zeugen dunkler Tage

© Anton

Die Kleeblattstadt in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs: Fliegeralarm setzt ein. Gertrud Beyerlein nimmt ihren Koffer und flüchtet sich in den Luftschutzkeller direkt im Hinterhof ihrer Wohnung in der Badstraße. Dort setzt sich die Sechsjährige in einer kleinen Nische auf einen Stuhl und wartet, bis der Angriff der Bomber vorbei ist. 65 Jahre später führt die Historikerin Renate Trautwein die Teilnehmer eines geschichtlichen Rundgangs in die unterirdischen Gemäuer.

Ausgerüstet mit Taschenlampen und Fahrradhelmen, begleitet von der Freiwilligen Feuerwehr, erkunden sie den »Badstraßen-Stollen», der während des Kriegs als öffentlicher Schutzraum diente. Gertrud Beyerlein, die bis heute in ihrem Geburtshaus in der Badstraße wohnt, nimmt auch an der Begehung teil. In den Felsenkeller, für den ihre Eltern als Luftschutzwarte verantwortlich waren, gehe sie sehr ungern. »Das ist unheimlich», sagt die Fürtherin.

Wie sie hat auch Leonhard Emmert, der 1945 zehn Jahre alt war, die letzten Kriegstage im Badstraßenkeller verbracht. »Anfangs musste ich auf einer Drehbank schlafen», erinnert sich Emmert, »das war sehr unbequem, deshalb suchte ich mir eine andere Liegestätte unter dem Sessel einer alten Dame.»

Als er den Bunker zum letzten Mal verließ, hielt Emmert ein weißes Bettlaken in der Hand. Draußen warteten die Amerikaner. »Auf den Straßen lagen überall Tote, das sind Bilder, die man nie vergessen kann.» In dem Tunnel, der sich über 320 Meter unter der Bad- und Pfisterstraße erstreckt, fanden bis zu 700 Menschen Zuflucht.

Über der Erde weisen noch heute die an den Fassaden angebrachten Markierungen auf den Schutzkeller hin. »Es ist außergewöhnlich, dass in Fürth so viele dieser Zeichen erhalten sind», sagte die Historikerin Trautwein. »Sie stehen quasi unter Denkmalschutz, das heißt, man sollte bei der Sanierung der Häuser darauf achten, sie nicht zu übermalen.»

Gefahr aus der Luft

Wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, kann an vielen Gebäuden Pfeile oder Buchstaben wie »NA» für Notausstieg oder »LSR» für Luftschutzraum entdecken. Wie ein Schutzkeller im Idealfall hätte aussehen sollen, zeigte die Geschichtsexpertin in der Pfisterschule. Dort wurde bereits 1933 der »Fürther Musterschutzraum» vom Luftschutztrupp Ekkehard eingerichtet, der damals von Stadt zu Stadt reiste, um die Bevölkerung zu lehren, wie sie sich vor Gefahren aus der Luft schützen konnte.

»In den Jahren 1933/34 ließen sich die Fürther nur schwer für die wöchentlichen Luftschutz-Kurse begeistern», so die Historikerin. Doch schon 1935 wurde per Gesetz jeder deutsche Bürger »luftschutzpflichtig», im November fand die erste Verdunkelungsübung statt. »Erfreut stellte man fest, dass es in Fürth zehn Minuten früher dunkel war als in Nürnberg.» CORINNA ANTON