Ende einer langen Kaffeehaus-Tradition

5.1.2010, 00:00 Uhr
Ende einer langen Kaffeehaus-Tradition

© Ralf Rödel

Jahrzehntelang war das Café Fenstergucker eine Institution in Fürth. Die Einheimischen kannten es vor allem unter seinem Spitznamen «Arschbackencafé», der noch aus einer Zeit herrührt, als zwei geschwungene Bögen die Außenfassade des Gebäudes an der Ecke Schwabacher/Karolinenstraße bildeten. Trotz des Umbaus 1955 geriet dieser Name nie in Vergessenheit.

Schon kurz nach dem Kriegsende hatte sich das damalige «Milchhäusle» zu einem beliebten Treffpunkt vor allem für Kaffeekränzchen entwickelt. Seine letzte Hochphase erlebte das Café zwischen 1984 und dem Jahr 2000, als das Ehepaar Wolf noch mit selbstgebackenen Kuchen und Torten aus der dazugehörigen Konditorei aufwartete und diese den Stammgästen nach der obligatorischen Frage «Wie gehabt?» servierte.

Nachdem die Wolfs zur Jahrtausendwende in den Ruhestand gingen und das Lokal einige Monate leerstand, wollten ihm die Strippenzieher der Comödie Fürth neues Leben einhauchen. Doch schon 2004 gaben Heißmann, Rassau und Co. diese Filiale des Berolzerheimerianums wieder auf. Danach versuchten weitere Pächter ihr Glück – stets ohne Erfolg.

Erweiterung war nötig

Jetzt ist den Eigentümern, die gestern von den Fürther Nachrichten nicht zu erreichen waren, offenbar der Geduldsfaden in Sachen Gastronomie gerissen. Von diesem Sinneswandel profitierte der Kreisverband Nürnberg der Arbeiterwohlfahrt. Im Nachbarhaus Karolinenstraße 17 – über einem Fahrradladen – betreibt die Awo bereits seit über einem Jahr im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit ein «Bewerbercenter» für Arbeitslose, schildert Awo-Mitarbeiter Thomas Fichtner.

Und als die Arbeitsagentur Mitte 2009 den Wohlfahrtsverband damit beauftragte, sich um weitere 400 Menschen zu kümmern und durch die Quelle-Insolvenz noch einmal etliche Kunden hinzukamen, reichte der Platz hinten und vorne nicht mehr aus. Die Verantwortlichen sahen sich nach einer Erweiterung um und wurden im benachbarten Café Fenstergucker fündig.

Sechs Mitarbeiter helfen nun Jobsuchenden dabei, Bewerbungen zu schreiben, Stellen zu recherchieren und das richtige Verhalten bei einem Vorstellungsgespräch zu üben. «Mit der Fürther Awo ist das alles abgesprochen», beteuert Fichtner, und da die Fürther Kollegen nicht im Bereich «Berufliche Bildung und Qualifizierung» tätig seien, gebe es auch keine Konkurrenzsituation.

Bewerbungstraining statt Kaffee und Kuchen – das Café Fenstergucker ist Geschichte. Ob das auch für den bis dato äußerst hartnäckigen Spitznamen gilt, wird wohl noch die Zukunft zeigen müssen. JOHANNES ALLES