Erntedankfestzug: Aufregung um türkische Fahnen

8.11.2016, 11:21 Uhr
Erntedankfestzug: Aufregung um türkische Fahnen

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Der Musikgruppe vorangetragen wurden eine rote und eine grüne Fahne, die jeweils mit drei Halbmonden versehen sind. Die Halbmonde symbolisieren die Kontinente Europa, Asien und Afrika, denen das Osmanische Reich im 17. Jahrhundert seinen Stempel aufgedrückt hat. Rot ist die Farbe der Streitkräfte, Grün die des Islam und des Osmanischen Reiches. Die Okkupationstruppen der osmanischen Besatzungsarmee marschierten in der Sultan-Ära unter der roten Fahne.

Bei ihrer Gründung 1969 wählte die rechtsextreme Partei der Nationalistischen Bewegung MHP, der auch die gewaltbereiten "Grauen Wölfe" angehören, die historische Kriegsflagge des Osmanischen Reiches zu ihrem Logo. Macht und Überlegenheit der osmanischen Vergangenheit werden damit symbolisiert. 1992 spaltete sich die radikalreligiöse Große Einheitspartei ab.

Für Beobachter des Kirchweihzuges drängte sich in sozialen Medien eine Verbindung zwischen der historischen Fußtruppe und der aktuellen nationalistischen Bewegung in der Türkei auf. Ein Verdacht, der auch im Fürther Rathaus nachdenklich stimmt. "Es gab viele Beschwerden", sagt der für die Kirchweihorganisation zuständige Marktamtsleiter Andre Hollitzer. Über Konsequenzen werde nachgedacht, sobald die Stellungnahme der türkischen Gemeinde eingeholt sei. Initiiert hat den Beitrag zum multikulturellen Festzug das türkisch-islamische Kulturzentrum Ditib in Fürth. Ditib ist der Dachverband von rund 900 muslimischen Ortsgemeinden. Die überparteiliche Organisation bekennt sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und verbietet parteipolitische Aktivitäten in ihren Vereinsräumen. "Jede Art von Gewalt und Aufruf zur Gewalt wird abgelehnt", heißt es in den Dtib-Grundsätzen.

SPD-Stadtrat und Ditib-Sprecher Aydin Kaval betont auf Anfrage der Fürther Nachrichten, dass die osmanische Militärkapelle ausschließlich der Traditionspflege verpflichtet sei. Sie solle historische Gewänder und Musik aus der Sultanzeit präsentieren und kein politisches Zeichen setzen. Letzteres wäre, so Hollitzer, auch mit den Statuten des Kirchweihzuges unvereinbar.

Als "Bereicherung" will Kaval den Beitrag der türkischen Gemeinde verstanden wissen. Dabei sei der zur Schau gestellte Nationalstolz grundsätzlich nicht verwerflich, sondern gesund. Man müsse nur das richtige Maß für einen respektvollen Umgang miteinander finden. Kaval betont: "Ditib steht für Integration und nicht für Ausgrenzung." Im Übrigen sieht er in der MHP keine Gefahr für das politische System der Türkei. Die Organisation sei nicht mit der NPD vergleichbar, denn die Türkei habe eine völlig andere Parteienlandschaft als Deutschland. Der Ditib-Sprecher hat selbst die Erfahrung gemacht, dass manches Fremde Angst verursachen kann. Er will sich darum bemühen, die Irritationen "in einem ruhigen Umfeld" auszuräumen.

15 Kommentare