Fürth erregt mit historischen Sgraffiti Aufsehen

15.2.2017, 16:00 Uhr
Fürth erregt mit historischen Sgraffiti Aufsehen

© Hans-Joachim Winckler

Im Zuge des Baubooms nach der Jahrtausendwende standen die in den frischen Putz geritzten und dann kolorierten historische Fassadenverzierungen reihenweise auf der Abschussliste. Sie waren nämlich der energetischen Sanierung im Weg. Zudem ist die Zeit über sie hinweggefegt. Was einmal als attraktiv empfunden wurde, war schon lange nicht mehr modern.

Fürth erregt mit historischen Sgraffiti Aufsehen

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Doch anders als in vielen Städten gab es in Fürth einige kunstsinnige Menschen, denen die Botschaften aus der Vergangenheit noch etwas bedeuteten. Sie organisierten sich 2007 im Arbeitskreis Kunst im öffentlichen Raum, dokumentierten in Vergessenheit geratene Schätze und prangerten deren Zerstörung an.

Sünden der Vergangenheit

Fürth erregt mit historischen Sgraffiti Aufsehen

© Hans-Joachim Winckler

Allmählich kam ihre Botschaft im allgemeinen Bewusstsein an. Hohe Wellen schlug beispielsweise die Vernichtung eines haushohen Sgraffitos zum Thema Flucht und Vertreibung bei Kriegsende am Eckhaus Leyher Straße 79. Auch am Verschwinden einer großen Wandverzierung mit der Darstellung der vier Jahreszeiten an einem Altbau in der Dr.-Schumacher Straße entzündete sie die öffentliche Debatte. Einen großen Erfolg verbuchte der Arbeitskreis mit seinem Einsatz zum Erhalt des großen Wandmosaiks am alten Filmsaal der Berufsschule in der Jahnstraße. Weil die Stadt kein Geld für die rund 140 000 Euro teure Abnahme und das erneute Aufbringen auf der Fassadendämmschicht hatte, sammelte der Verein spenden und konnte das Werk damit retten.

Fürth erregt mit historischen Sgraffiti Aufsehen

In der Folge wurde bei immer mehr Altbausanierungen nach Möglichkeiten zum Erhalt der Kunstwerke gesucht. Mit Erfolg, denn die ursprünglich als unpraktikabel eingestufte Innenisolierung mit offenporigen Kalziumsilikatplatten erwies sich plötzlich doch als Alternative zur Außendämmung mit Kaltschaumplatten. So konnten etwa die beiden Sgraffiti an den Treppenhäusern der Genossenschaftshäuser Hardstraße 48 und 50 erhalten bleiben.

Unter den ersten

Was früher einmal bedenkenlos als alter Plunder entsorgt wurde, bekam in Fürth wieder einen Wert. Etwa die historischen Drahtplastiken an den Wohnblocks in der Herrnstraße oder das Paradies-Mosaik in der Leibnizstraße. "Wir waren weit und breit die ersten, die sich für die aus der Mode gekommene Fassadenkunst eingesetzt haben", erinnert sich Arbeitskreismitglied Bernd Kaag an die Anfangsjahre. Zusammen mit Kilian Angermaier, Gerhard Ritter und Wilfried Höfler dokumentierte er akribisch, was Fürth zu bieten hat.

Kaag und Angermaier haben zudem als Schüler von Hans Langhojer (1910 - 1993) noch einen persönlichen Zugang zum Schaffen eines Hauptvertreters der Fürther Fassadenkunst. Neben Langhojer haben sich vor allem Georg Weidenbacher (1905 – 1984), Karl Dörrfuß (1906 – 1984) und Gudrun Kunstmann (1917 – 1994) an den Schauseiten der Häuser verewigt. Trotz vieler Erfolge: zur Ruhe setzen wollen sich die Arbeitskreis-Mitglieder nicht. Denn noch immer gilt es Kunstwerke zu bewahren.

Persönliches Interesse

Unterstützt werden die Aktivisten von Stadtheimatpflegerin Karin Jungkunz. An Kunst der 1950er Jahre hat sie nämlich ein besonderes Interesse. Herausragende Beispiele sind die Wandbilder der ehemaligen Milchgaststätte im Fürther Stadtpark.

Der Jahrelange Einsatz gegen das Vergessen hat in Fürth offensichtlich schon ein Umdenken bewirkt. Für die Fassadengestaltung eines Wohngebäudes der Baugenossenschaft Fürth-Oberasbach in der Georgenstraße 36 bis 40 am Espan hat die Stadtheimatpflegerin einen kleinen Wettbewerb veranstalten dürfen. Ausgewählt wurde ein Beitrag der Fürther Künstlerin Sascha Banck.

Im Frühjahr soll ihr Entwurf realisiert werden. Dargestellt wird ein stilisierter Wald über den Zugvögel hinwegziehen. Sascha Banck nimmt damit Bezug auf Flüchtlinge und Migranten. Wie die Zugvögel haben auch sie zwei Heimaten. Ein Thema das ebenso aktuell wie historisch verwurzelt ist in Fürth. Denn auch das zerstörte Sgraffito in der Leyher Straße war ihm gewidmet.

Kunst kopiert

Ein weiterer Fürther Künstler, Thomas Mohi, hat im vergangenen Jahr ein Sgraffito von der Wand der Landwirtschaftsschule in der Jahnstraße auf lange Baufolienplanen abgepaust und nach der Gebäuderenovierung in Kopie auf den neuen Putz aufgetragen. Vor einigen Jahren wäre solch ein Aufwand für historische Kunst am Bau undenkbar gewesen.

Noch 2004 verpflanzte man bei der Sanierung der Adenaueranlage eine Sgraffito-Säule aus dem Pavillon hinter die Auferstehungskirche in den Stadtpark, wo sie allen Witterungseinflüssen ausgesetzt ist. 1952 hatte Karl Dörrfuß nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft seinen Leidensgenossen ein Denkmal gesetzt. Die ausgemergelten Gestalten hinter Stacheldraht waren im modernen Fürth zu Fremdkörpern geworden.

Dabei gehörte Dörrfuß wie auch Weidenbacher, Langhojer und Kunstmann zu den Architekten der heutigen Kunstszene. Sie haben im Ring Fürther Künstler die Vorarbeit für den 1981 etablierten Kulturring C geleistet. Bezeichnend für das gespannte Verhältnis der Stadt zu ihren einstigen Lichtgestalten war schon die Tatsache, dass Langhojers künstlerischer Nachlass nicht Fürth vermacht worden ist, sondern dem Landkreis. Vom allmählichen Wandel der Einstellung zeugen inzwischen nicht nur vor der Zerstörung bewahrte Sgraffiti und Mosaike, sondern auch viele restaurierte Plastiken rund um den Fürther Stadtpark.

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