Fürth ist am hippsten

20.10.2012, 13:00 Uhr
Fürth ist am hippsten

© Hans-Joachim Winckler

Montmartre, Venedig, der Königssee vielleicht. Sie dürfen als Inspirations-Veterane durchgehen. Fürth wird vermutlich nicht auf Anhieb genannt, wenn es um die klassischen Anheizer künstlerischer Kreativität geht. Wer hier arbeitet, dem fallen allerdings gute Gründe ein, warum diese Stadt ein ganz besonderer Ort für Kunst ist.

Fürth ist am hippsten

© Hans-Joachim Winckler

„Ich mag den morbiden Charakter und die unglaublichen Gestalten, die hier rumlaufen, das sieht man in Nürnberg nicht“, sagt Stephan Schwarzmann, der in der Hallemannstraße lebt und arbeitet. Der 35-Jährige, dessen Metier Malerei, Grafik und Objektkunst sind, stammt aus Nürnberg, zog vor 18 Jahren her und nennt sich heute spontan „einen Herzensfürther“. Zunächst überzeugten ihn die günstigen Mieten, doch dazu ist längst mehr gekommen: „Seit ich in dieser WG wohne, finde ich es einfach schön.“ Dass in seiner Nachbarschaft Altbauwohnraum saniert wird und sich damit das Preisniveau ändert, macht ihm im Moment keine Angst. Ihn ärgert etwas anderes: „Die Kulturpolitik ist manchmal unschön. Ich kann zum Beispiel nicht verstehen, warum mit der kunst galerie so umgegangen wird.“

Fürth ist am hippsten

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„Fürth ist ein wichtiges Thema für mich“, bestätigt Birgit Maria Götz. Als Kleinkind ging sie oft mit ihrer Großmutter durch die Stadt. Dann zog sie mit den Eltern fort. Seit sie nach Studium und Aufenthalten in Paris und Berlin zurückkam und ihr Atelier in der Badstraße 8 einrichtete, spürt sie bewusst jenen frühen Eindrücken nach.

Fürth ist am hippsten

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Mit Vorliebe malt sie etwa im Stadtpark: „Für mich ist ein wichtiger Punkt, wie die Menschen darauf reagieren“, sagt die 44-Jährige. „Ich will als Künstlerin Bestandteil des Stadtlebens sein.“ Für die Reaktionen der Fürther gibt es Lob: „Hier ist das Leben locker, und genauso sprechen die Leute auf meine Bilder an.“ Vor Ort hört sie unverblümte Kommentare: „Das ist immer absolut ehrlich, diese Art der Kunstkritik schätze ich sehr.“

Gerade hat Birgit Maria Götz zwei Fürther Postkartenmotive gemalt: „Die Resonanz ist toll.“ Die Fürther, sagt sie, haben mittlerweile eine Liebe zu ihrer Stadt: „Seit dem Mittelalter war das ja vielleicht eher so, dass alle, die es nicht nach Nürnberg geschafft haben, hier gestrandet sind.“ Diese Zeiten sind für sie Geschichte. Sie hat keinen Zweifel: „Fürth ist in der Region am hippsten.“

Verschwundene Orte

Badstraße und Uferpromenade spielen auch für Susa Schneider eine wichtige Rolle: „Da fühle ich mich wohl, ich habe das Gefühl, als ob dort die Zeit zurückgedreht wurde. Das ist gut, weil mir ansonsten alles viel zu schnell geht.“ Inspirierend findet die 49-Jährige, die in der Südstadt aufwuchs und deren Themen Fotografie und Installationen sind, auch die Alte Kirche oder den Friedhof: „Da ist es schön ruhig.“ Mit Wehmut denkt sie an verschwundene Treffpunkte zurück: „Früher gab es zum Beispiel die Hirschengeister in einem sehr schönen Hinterhaus in der Hirschenstraße. Da sind heute Lofts.“

Fotografin Edda Schneider (72), die wie Tochter Susa im Kreativ- und Kunst-Centrum Clinc in der ehemaligen Kinderklinik arbeitet, ist froh über die kreative Mischung an diesem Standort: „Die unterschiedlichsten Künstler sind hier zusammengekommen, wir tauschen uns aus, das ist sehr anregend.“ Sie hofft, dass die kleine Gruppe bald Zuwachs bekommt: „Eine Erweiterung ist ja vorgesehen.“

Doch, Fürth „ist ein guter Platz zum Arbeiten“, versichert Christine Regenberg: „Es gibt relativ viel Platz und viel künstlerischen Austausch, wegen der Nähe zur Akademie in Nürnberg.“ Nein, ein Traumort ist die Stadt für die 46-jährige Bildhauerin nicht: „Es ist okay, man kann hier gut leben.“ Träumen kann sie von „Orten, die an großen Flüssen liegen, Trier zum Beispiel“.

Vor 25 Jahren bezog Bildhauer Joseph Stephan Wurmer sein Atelier in der Kofferfabrik und ist bis heute sehr zufrieden mit seiner Wahl: „Für mich ist die Ausstrahlung eines Gebäudes entscheidend.“ Im Winter kann es in seiner Werkstatt trotz emsig beheiztem Holzofen sehr kalt bleiben, ans Wegziehen hat er nie gedacht. Auch moderne Ateliers wie „Auf AEG“ („Das muss man mögen.“) können ihn nicht reizen. Er schätzt den rankenden Wein an der Hauswand, dessen Schatten Muster auf seinen Atelierboden malt. Die nahen Pegnitzwiesen. Und Wurmer weiß, was die Künstlerin Aja von Loeper, die er zu diesem „Gastpiel“ eingeladen hat, meint, wenn sie sagt: „Ich muss in Fürth nur einmal über den Pappelsteg laufen, dann geht es mir schon gut.“

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