Fürther Altstadt wird kein urbanes Gebiet

6.10.2016, 06:00 Uhr
Fürther Altstadt wird kein urbanes Gebiet

© Foto: Hans Winckler

Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) geht es vor allem um eins: Eine Reform des Baugesetzes soll es erleichtern, dringend benötigten Wohnraum zu schaffen. In vielen Großstädten ist die Lage angespannt, gerade bezahlbare Wohnungen fehlen seit längerem. Und das Problem wird sich verschärfen, wenn sich in den nächsten Monaten anerkannte Asylbewerber eine Wohnung suchen müssen.

Hendricks Lösung: Neben "Wohngebieten", "Mischgebieten" und "Gewerbegebieten" soll es künftig einen neuen Gebietstypus geben. Im "urbanen Gebiet" soll man dichter bauen dürfen und es darf auch lauter zugehen als andernorts. Baulücken könnten so schneller geschlossen werden, für die Kommunen wäre es leichter, Wohnbebauung auch an verkehrsreichen Straßen oder neben Einkaufszentren, Gewerbebetrieben oder Sportplätzen zu genehmigen.

In urbanen Gebieten sollen geringere Mindest-Abstände und höhere Lärmgrenzen gelten. Das Nebeneinander von Wohnen, Arbeiten und Freizeit ist ausdrücklich erlaubt: Das Bauministerium spricht von einer „Stadt der kurzen Wege“. Nach dem Gesetzesentwurf dürften bis zu 60 Prozent der Grundstücksfläche bebaut werden (in Wohngebieten sind es 40 Prozent), es darf in die Höhe gebaut werden – und die Lärmobergrenze soll tagsüber bei 63 Dezibel liegen, nachts bei 48. Zum Vergleich: In Mischgebieten wie der Fürther Altstadt sind tagsüber 60 Dezibel erlaubt und nachts 45 – ein Wert, der leicht überschritten wird, wenn sich Menschen draußen unterhalten.

Der neue Gebietstypus soll noch heuer eingeführt werden. In Nürnberg denkt man bereits darüber nach, ob man im entstehenden Stadtteil Lichtenreuth ein urbanes Gebiet realisieren sollte. Auch in Fürth sind die Berliner Pläne auf Interesse gestoßen – jedoch nicht mit Blick auf ein Neubaugebiet, sondern die Altstadt: Im Juli berichtete Baureferent Joachim Krauße im Bauausschuss von Hendricks Vorhaben.

So viel Schutz wie andernorts

Möglicherweise, so die Gedankenspiele der Stadtspitze damals, könnte eine Umwandlung der Altstadt in ein „urbanes Gebiet“ sinnvoll sein, um im Lärmstreit weitere Einschnitte für Gastwirte und Gäste abzuwenden und die Position der Stadt zu stärken. Inzwischen wurde das Szenario wieder verworfen: "Wir sind übereingekommen, dass wir das in der Gustavstraße nicht machen wollen", sagt Krauße auf FN-Nachfrage.

Der Grund: Man wolle die Altstadtbewohner nicht schlechter stellen als Fürther in anderen Mischgebieten. "Wir bleiben bei unserer Linie, dass wir nichts anderes machen als in anderen Stadtteilen", sagt Krauße, der dabei an die aktuell angestrebte Änderung des alten Bebauungsplans 001 für die Altstadt denkt: Dabei soll, wie berichtet, der "besondere Schutz" der Anwohner zurückgefahren werden. Aufs Normalmaß – nicht darüber hinaus, wie Krauße einmal mehr betont. (Mehr zum Hintergrund der angestrebten Änderung lesen Sie hier.)

Die Bebauungsplanänderung werde keine anderen Lärmgrenzwerte zur Folge haben als in anderen Mischgebieten. Allerdings hält es Krauße ebenso wie OB Thomas Jung generell für falsch und realitätsfern, dass Gaststättenlärm draußen vor dem Schlafzimmerfenster der Beschwerdeführer gemessen werden muss und nicht drinnen. Anders als früher gebe es längst einfache technische Lösungen für Fenster und Lüftungen, die Lärm bei gesunder Raumluft aussperren.

Dieses Messverfahren hätte man überdenken müssen, sagt Krauße, möglicherweise hätte man sich dann die Reform des Baurechts sparen können. Das "urbane Gebiet" werde nicht die Lösung für jedes Problem sein und könnte neue Schwierigkeiten mit sich bringen, warnt er vor zu hohen Erwartungen. So sieht er etwa die Gefahr, dass Besitzer innerstädtischer Gewerbeflächen verlockt sein könnten, sie zu schnell für Wohnraum aufzugeben.

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