Fürths Straßennamen im Wandel

3.6.2013, 22:00 Uhr
Fürths Straßennamen im Wandel

© Berny Meyer

Ganz so einfach, wie sich das die Fans der Spielvereinigung im April 2012 vorgestellt hatten, geht es ja nun doch nicht. Im Freudentaumel, ausgelöst durch den Aufstieg der Fußballer in die Erste Bundesliga, schritten die Anhänger in der Gustavstraße nächtens zur Tat und benannten kurzerhand die Untere Fischerstraße in „Mike-Büskens-Allee“ um, womit sie dem Trainer der Elf dankbar ein bleibendes Denkmal setzen wollten.

Mittlerweile wissen wir, dass diese Aktion ein Schnellschuss war, der, hätte man die Straße seinerzeit wirklich umgetauft, in mehrfacher Hinsicht nach hinten losgegangen wäre: der hochgelobte und sicherlich verdienstvolle Büskens wurde im Februar entlassen, die Erste Liga war für die Greuther-Fürther nur ein leidvolles, ernüchterndes, kurzes Gastspiel.

Heikle Sache

Das Beispiel zeigt, dass Straßenumbenennungen eine heikle Sache sein können. Und sie sind wieder einmal in der Diskussion: der Stadtrat hat bekanntlich beschlossen, aus der Freifläche vor der Feuerwehr einen Henry-Kissinger-Platz zu machen. Das geschah just zum 90. Geburtstag des aus Fürth stammenden ehemaligen amerikanischen Außenministers.

Dessen Treue zur Geburtsstadt, seine ungebrochene Liebe zur SpVgg, seine weltweite Bekanntheit prädestinieren ihn in den Augen der Stadtregierung dazu, Namensgeber für einen zentralen Ort in der Stadt seiner Kindheit, die ihn zusammen mit seiner jüdischen Familie freilich 1938 vertrieben hatte, zu sein.

Nun hat der Fürther Ehrenbürger Henry Kissinger im Rahmen seiner Chef-Diplomatentätigkeit viel dazu getan, auch heute noch als umstritten zu gelten. Manche sehen in ihm den „Kriegsverbrecher“, den „Freund der Diktatoren, einen machtbesessenen Politiker, den einsamen Cowboy (das sagte er selbst von sich), der — so stand es jüngst in der Zürcher Zeitung, „durch die Lande zieht und, böse Feinde abmurksend, die amerikanische Moral ins Recht setzt“. Derartige Kritik ficht die Stadt natürlich nicht an: Ehre, wem Ehre gebührt.

Ob die Fürther selber nun gerne einen Henry-Kissinger-Platz haben oder nicht: ihre Meinung ist bei Straßenumbenennungen sekundär. Diese führt die Stadt auf der Rechtsgrundlage von Artikel 52 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes durch; Einspruch und Klage sind statthaft und müssen beim Bayerischen Verwaltungsgericht eingereicht werden.

Nicht immer geht eine Umbenennung dabei so klang- und klaglos über die Bühne wie etwa 2006, als man das westliche Teilstück der Straße „Nordring“ (zwischen der Boxdorfer Straße und der Stadtgrenze Nürnberg/Fürth) in die Boxdorfer Straße einbezog. Drei Jahre zuvor dagegen hatte sich der Stadtrat gehörig in die Nesseln gesetzt: auf dem ehemaligen Flughafengelände Atzenhof, längst ein Gewerbe- und Golfpark, wurde eine Straße nach Willy Messerschmitt benannt. Dass der Flugzeugkonstrukteur und Unternehmer auch in das Zwangsarbeiterprogramm der Nationalsozialisten verstrickt war, war an den beschließenden Fraktionen anscheinend vorbeigegangen.

2006 aber wies unter anderem die damalige Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, auf diesen Fauxpas hin und es kam eine Diskussion über die (Un-)Würde historischer Persönlichkeiten auch in Fürth in Gang. SPD und CSU zeigten sich zerknirscht aber einig: „Uns war die Brisanz nicht klar“. Zwar hatte man gerade noch die Straßenehrung für Ernst Udet, Generalluftzeugmeister in Görings Reichsluftfahrtministerium abgebogen, bei Messerschmitt kamen die Bedenken aber erst spät. Eine Straße mit seinem Namen gibt es heute nicht mehr, dafür eine, die nach der — unverdächtigen — Flugpionierin Melli Beese benannt ist.

Sicherlich spiegeln Straßenumbenennungen auch den Geist ihrer Zeit wider. 1935 tilgten die Nazis alle „nicht-arischen“ Namen aus dem Stadtbild. Auf Anordnung von Oberbürgermeister Jakob wurde die Sigmund-Nathan-Straße umbenannt und in der Folge wurden auch Bach, Bamberger, Bendit, Berlin, Berolzheimer, Jakob Henle, Königswarter, Neumann, Landmann, Nathan, Benno Mayer oder Dr. Mack aus dem Straßenverzeichnis gestrichen.

Der stets auch für die Sache der Machthaber in Akten suchende Archivleiter und Fürth-Lexikon-Autor Adolf Schwammberger (auch ihm „gehört“ heute eine Straße) wies dann 1939 darauf hin, dass man jemanden vergessen hatte: Sigmund Pickert, Antiquar, angesehener Stifter — und Jude. Sein Name verschwand umgehend. Rückgängig gemacht wurden die Umbenennungen auf Anordnung der amerikanischen Militärregierung gleich im Mai 1945.

Im Gegenzug aber tragen heute noch eine ganze Reihe von Straßen die Namen von Persönlichkeiten, deren Biografien mehr oder weniger enge Beziehungen zu den Nationalsozialisten aufweisen. Sie gelten jedoch in ihrer Geburts- oder Heimatstadt als absolut honorig und sind daher über jeden Zweifel erhaben.

Kein Mensch käme in Fürth auf die Idee, die Abschaffung der Gustav-Schickedanz-Straße (früher: Bahnhofstraße) zu fordern, weil der für die NSDAP im Stadtrat saß und nachdrücklich „rein arische“ Produkte vertrieb; dass aus der Sternstraße eine Ludwig-Erhard-Straße wurde, stört heute niemanden mehr, obwohl der einstige Bundeskanzler 1941 meinte, der „totale Krieg erfordere die stärkste Konzentration aller Kräfte“.

Wille zur Erinnerung

Andererseits: Umbenennungen können auch den Willen zur Erinnerung im positiven Sinn ausdrücken: die Julienstraße in der Altstadt wurde zur Hallemannstraße und hält so einen Mann in Ehren, der als Leiter des jüdischen Waisenhauses mit seiner Frau, seinen beiden Kindern und 33 elternlosen Schützlingen 1942 ins Getto Izbica deportiert und später ermordet wurde.

Und wenn es auch nur ein kleines Brücklein ist: aus der einstigen Saatweg-Brücke wurde nach langem Tauziehen doch noch ein Elser-Steg, erinnernd an den Hitler-Attentäter von 1939.

Seit Jahren auf der Umbenennungs-Agenda einer eher außerparlamentarischen Opposition standen die Namen von Rudolf Benario und Ernst Goldmann, zwei junge Kommunisten aus Fürth. Es hat lange Zeit gedauert, bis man sich hier überhaupt zu den beiden Widerstandskämpfern, die im Dachauer Lager ermordet wurden, bekannte und ihnen eine Gedenktafel an der Uferpromenade widmete. Seit 2012 steht fest, dass in Unterfürberg zwei Straßen, die am Ende des Banderbacher Wegs in ein neues Wohngebiet führen, ihre Namen tragen werden.

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