Grüne Attacke und die Flucht ins Internet

6.2.2011, 10:00 Uhr

Seit die Grünen in Meinungsumfragen für ihre Verhältnisse geradezu schwindelerregende Höhen erklommen haben, werden sie von der politischen Konkurrenz konsequent angegiftet, denn das kann doch nicht sein: dass diese ehemalige Turnschuh-, Pulloverstrick-, Langhaarigen-, Müsli- und Friedensapostelpartei aus der Nische saust und mitmischen darf im Konzert der Großen.

Kann es eben doch, und der Meinungsvielfalt und dem demokratischen Prozess tut es meistens gut, wenn andere Farben ins Spiel kommen. Ohne die Grünen wären die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit vermutlich heute noch nicht so präsent, wie es angemessen ist.

Die neue Popularität führt bis hinunter auf die lokale Ebene zu einem spürbar gewachsenen Selbstbewusstsein der Grünen, das sich – in Fürth nicht anders als andernorts – in immer mehr Vorstößen und Anträgen zu tagesaktuellen Themen manifestiert. Auch das mag man begrüßen – solange der Bogen nicht überspannt wird und die Gebote der Fairness nicht auf der Strecke bleiben; denn gerade das erwartet man von den Grünen am allerwenigsten.

Deshalb reibt man sich in Fürth dieser Tage verwundert die Augen: In städtischen Gremien nach der Meinung zu einem neuen Einkaufszentrum im Herzen von Fürth gefragt, schwiegen sich die grünen Vertreter weitgehend aus, um wenige Tage danach per mehrseitiger Presseerklärung loszupoltern, dass die Wände der städtischen Büros erzittern. Vor einem „Fürth 21“ wird da plakativ gewarnt, von einer Vorauswahl von oben herab hinter verschlossenen Türen und von zu hohem Zeitdruck.

An der richtigen Stelle platziert und sachlich formuliert hätte — die bei einem Projekt dieser Tragweite durchaus notwendige — Kritik möglicherweise zu einer hilfreichen Diskussion geführt. Durch die unvermittelte, effektheischend-öffentliche Breitseite aber müssen sich jene im Rathaus zwangsläufig düpiert fühlen, die bisher stets und ganz ausdrücklich Gesprächsbereitschaft signalisiert haben. Dem Einvernehmen auf dem Weg zu mehr Einkaufsvielfalt in der Stadt dürfte das kaum dienlich sein.

Gestern nun schob der Kreisverband der Grünen fast entschuldigend nach, es habe sich um eine Presserklärung „auf Bestreben der Basis“ gehandelt. Nichts gegen Basisdemokratie, aber die Frage drängt sich auf: Wenn die gewählten Vertreter dieser Basis deren Meinung nicht mehr in den zuständigen Gremien weitertransportieren können oder wollen — sind sie dann nicht vielleicht fehl am Platz?

Fehl am Platz, fanden die Vertreter des städtischen Ältestenrats, sind manche jener Reden, die traditionell anlässlich der Fürther Haushaltsberatungen gehalten werden. Also, um nicht falsch verstanden zu werden, nicht grundsätzlich fehl am Platz – aber teures Papier in der Stadtzeitung sollte künftig nur noch für die Auszüge aus Reden von Fraktionssprechern verwendet werden. Die Beiträge der Einzelstadträte, etwa von FDP, Linken, FW und Rep, wären demnach Makulatur gewesen. Sparzwänge, hieß es.

Da aber spielte die Regierung von Mittelfranken nicht mit, bei der sich Betroffene beschwert hatten. Sie befand, dass die Reden, egal von wem, eigentlich gar nichts im Verlautbarungsblatt zu suchen haben; aber wenn schon – dann doch bitte alle, in welcher Länge, das könne man nach Größe der jeweiligen Stadtratsgruppierung differenzieren.

Weil das alles so furchtbar kompliziert ist, liebäugelt die Kommune nun mit einer salomonischen Lösung: Die Reden sollen allesamt nur noch im Internet aufscheinen. Dort darf bekanntlich jeder seinen Senf dazugeben — und das auch noch kostenlos.