Gutbrod und Pöllot: Schiere Schau-Lust im Bühlers

25.1.2018, 19:00 Uhr
Gutbrod und Pöllot: Schiere Schau-Lust im Bühlers

© André De Geare

Schwer fällt es, sich dem Sog dieser Räume zu entziehen. Allein schon der noble Treppenaufgang, der in die Beletage der Gründerzeitvilla führt, macht einen Sprung durch die Zeit beinahe selbstverständlich. Denn wer das theatralische Entrée von Sabine Pillensteins Räumlichkeiten betritt, hat sich schon verloren und beginnt wie von selbst, in den Kulissen einer längst verlorenen Zeit zu suchen.

Wonach? Gute Frage. Inge Gutbrod und Stefanie Pöllot haben sich ihr gestellt, haben mit und für diese Salons gearbeitet. Jede für sich, doch zusammengeführt eröffnet die Schau ungeplante Achsen, halten Objekte Zwiesprache, entpuppen sich Wände als durchlässige Portale zu neuen Ebenen.

Gemeinsam bespielen die Künstlerinnen den Mittelpunkt des Hauses. Hier kommt der Besucher an, von diesem Zwischen-Raum aus geht es in die übrigen Zimmer. Mittendrin ist jetzt Gutbrods 2,20 Meter hohe Scheibensäule platziert, die den schönen Titel "Gelsenkirchener Barock" trägt. Schon drängen sich andere Wohnorte ins Gedächtnis, die auf Anhieb so gar nichts mit dem Königswarterstraßen-Interieur oder mit dieser durchaus filigranen Stele zu tun haben. Gesetzt auf eine derbe Eisenscheibe wird die Säule von einer robusten Holzbasis aus mit Wachs weitergeführt — ein Material, mit dem längst Gutbrods Name verbunden ist.

Das Licht, das die Wachs-Arbeit zu jener schwer zu definierenden Halbtransparenz erwachen lässt, ist bei Stefanie Pöllots Arbeiten unverzichtbarer Bestandteil. Zwei ihrer Video-Installationen treffen im Entrée auf die Werke der Kollegin, und prompt beginnt ein Dialog, dem etwas Selbstverständliches anhaftet. "Vanitas", Eitelkeit, hat Pöllot das eine ihrer unglaublich präzisen und aufwändigen Werke getauft. In einer Endlos-Schleife spiegelt sich ein Kettenkarussell in einem Spiegel, auf einem Buchdeckel verrinnen Seifenblasen, eine glänzende Kugel wird zum Selbstporträt. Es ist ein Film im Film mit Bildern, die allesamt ohne erkennbare Mühsal ein Spiel mit den vertrauten Dimensionen riskieren. Ein schöpferischer Akt, der neue Räume gebiert.

Gutbrod und Pöllot haben beide an der Nürnberger Kunstakademie studiert. Trotz eines ersten Miteinanders während des "Gastspiels" des Kulturrings C vor zwei Jahren ist diese Doppel-Ausstellung eine Premiere. Man habe sich "zwar stets wahrgenommen", sagen sie, doch erst jetzt kam es im Bühlers zur kooperierenden Begegnung.

Vielleicht ist es jene Wahrnehmung, die nun für ein Verstehen auf einer Ebene sorgt, die weder Absprachen noch Planung unterliegt. Intuitiv begegnen sich die Arbeiten der Künstlerinnen, die sich auch in ihrem thematischen Spektrum verblüffend nahe kommen. Mit der exquisit austarierten Videoinstallation "Wassersammlerin" nimmt zum Beispiel Pöllot ein elementares Motiv auf, das bei Gutbrod im Nebenraum mit "Seerosen strahlend" eine Fortsetzung erfährt. Im exakt auf die Verhältnisse eingepassten Bassin treiben 15 Wachsscheiben, wieder spielt das Licht mit, das mit Spiegelungen auch hier für lebendige Modifikationen im stetigen Wandel sorgt.

Fette Beute

Das Ambiente des Salons besetzt Gutbrod, die 2012 mit einer Einzelausstellung im Bühlers vertreten war, mit ihren dezent ironisch benannten "Vasen Geweihen". Gegenüber hängt "Fette Beute", ein Objekt aus aufgereihten Schokolinsen. Eine Ketten-Reaktion mit Doppelsinn. Im Nachbarzimmer treibt Pöllot das Spiel mit dem Raum weiter. Aus den verwirrenden Details eines vordergründig eindeutigen Leuchtkasten-Motivs wird nach und nach ein Ausflug ins Ungewisse.

Raum für alles, was ist und war, gibt Gutbrod über Eck mit 75 Einzelbildern und Objekten, die sie in Petersburger Hängung angeordnet hat. Ein System, das gewachsene Hierarchie ausstrahlt und erst bei sehr genauer Analyse das Geheimnis einer überlegten Disposition preisgibt. Auch hier packt den Betrachter die schiere Schau-Lust, während sich im Hirn langsam eine Fülle von Antworten auf die Anfrage der Künstlerinnen formt. Sicher ist: Die Schauplätze, die hier wohnen, müssen einfach erspürt werden.

ZSiehe "Fürther Kunststücke auf dieser Seite"

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