Höchste Zeit für harte Kontraste

18.11.2012, 19:00 Uhr
Höchste Zeit für harte Kontraste

© Edgar Pfrogner

Ist das hier wirklich ein Tonstudio? Oder eher ein Wohnzimmer? Ein Flügel, zwei schöne Teppiche, viel Platz und eine schöne Aussicht über den Espan — ja, hier lässt es sich inspiriert musizieren. Das finden auch die 20 Fünft- und Sechstklässler aus dem Schliemann-Gymnasium, die im Chor den Refrain anstimmen: „Ein Stern — ein Stern für jedes Kind, ihr wisst, dass wir die Zukunft sind, so fern. Doch wenn die Nacht anbricht, dann strahlt das helle Sternenlicht für dich und mich." „Mich" reimt sich auf „Licht"? Ach halb so wild, mit ein bisschen Hall fällt das „t" nicht so auf.

Der Chor ist aber nur ein Bestandteil des Sternstundenliedes. Den Hauptteil bestreitet heuer der Rapper Tim Taler mit seinem Sprechgesang. Begleitet von Drums und Bass aus dem Computer erzählt Taler von Kindersoldaten, von harter Schufterei, Gewalt, Vernachlässigung, Ausbeutung. Wie kriegt er musikalisch die Kurve? Da fällt das Stichwort „Zukunft", eine Kinderstimme greift die „Zukunft" auf, wiederholt sie im Echo, dann setzt der Chor mit seiner harmonischen Melodie ein: „Ein Stern..."

Klingt etwas hart, der Kontrast. Aber Produzent Thilo Wolf will diesen Kontrast genauso haben. Der Fürther Big-Band-Leader, Jazzkomponist und Arrangeur sieht seine Arbeit pragmatisch: „Im Prinzip funktionieren wir wie ein Automobilhersteller, wir haben für jeden ein Produkt. Wir sind ein Dienstleistungsunternehmen, produzieren alles vom klassischen Streichorchester über Rap bis zum Big-Band-Jazz."

Entsprechend oft hat die bald 20 Jahre alte Sternstunden-Melodie verschiedene Interpretationen durchlaufen, alle durch Thilo Wolfs Arrangements. Orchesterversion, Gesangversionen in großer und kleiner Besetzung. Opern- und Musicalsängerin Anna Maria Kaufmann hat auch mal mitgesungen. „Und jetzt“, so Wolf, probieren wir einen neuen Weg aus. Wie funktioniert die Sache denn mit Rap?" Den Bruch zum lieblichen Chorgesang kalkuliert der Chef mit Bedacht ein: „Rapper bringen die Probleme unserer Zeit sehr direkt und pointiert zur Sprache ohne etwas zu beschönigen. Insofern ist eine Rapversion nur die logische Konsequenz."

Der Song hat viele Väter: zuerst einmal Tim Talers Mitstreiter Tim Bögner, der die Grundbeats zuliefert, an denen entlang der Sänger seinen selbstverfassten Text ausrichtet. Beide sind ein eingespieltes Team und wollen demnächst ihr eigenes Label gründen. Sodann natürlich Thilo Wolf, der für die Chorbegleitung auf eine ältere Instrumentalaufnahme zurückgreift, die Kinder, und dann vor allem der Mann am Mischpult: Michael Bliemel.

„20 Kinder haben im Studio gesungen, die haben wir viermal aufgenommen, der Michael mixt die Spuren zusammen, dann klingt’s wie 80 Stimmen", erläutert Thilo Wolf die Mischarbeit. „Beim Mischen kommt es darauf an, wo platzieren wir den Sänger, wo die Begleitinstrumente, wer ist wie laut? Steht er links oder rechts? Der Solist steht in der Raummitte, Schlagzeug und Chor verteilen sich im Panorama. Der Tim Taler hat eine trockene Stimme, das ist gut so, vielleicht bekommt er noch ein bisschen Fett dazu, und der Chor erhält einen ordentlichen Hall zum Kontrast."

Wenn am 14. Dezember um 19.45 Uhr die Sternstunden-Gala in Nürnbergs Frankenhalle steigt, stehen allerdings nicht 20, sondern 160 Kinder auf der Tribüne und schmettern aus voller Brust. Mal hören, wie das live rüberkommt. Die Studioversion erschallt dann mehrmals am selben Tag in den Radio-Spartenkanälen des BR.
 

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