Im sumpfigen Wald

4.9.2007, 00:00 Uhr
Im sumpfigen Wald

© Mark Johnston

Bahnhofsvorsteherin Maria Tauerovà schenkt der Kamera ein herzerfrischendes Lachen. Fotograf Robert Söllner hat diesen Moment in Großaufnahme festgehalten. Andere Fotos zeigen Frau Tauerovà an ihrem Arbeitsplatz, hinter dem vergitterten Schalter und die leeren, verlassen wirkenden Bahngleise des Bahnhofs. Was sie tun würde, wenn sie Königin von Babylon wäre? «Ich würde herrschen - ich würde es mir richtig gut gehen lassen», verrät sie auf dem Fragebogen, den Almut Sauer für ihre Interviewpartner ins Tschechische hat übersetzen lassen.

Auf einer Silvesterreise in Tschechien hatten Sauer (Jahrgang 1973) und Söllner (1965) zufällig das Dorf mit dem markanten Namen entdeckt - ein Dorf, das noch dazu den Namen ihrer Lieblingskneipe im heimischen Fürth trägt. Aus einer spontanen Idee heraus verfestigte sich tatsächlich der Gedanke an eine Foto-Präsentation, die erste konzeptuelle und dokumentarische Ausstellung Söllners und zu-dem die erste Zusammenarbeit mit Germanistin Sauer.

Nach Recherchen über den Ort reiste das Duo erneut nach Tschechien. Die zwei fotografierten und interviewten Menschen, die sie auf der Straße, vor ihren Häusern oder an ihrem Arbeitsplatz ganz einfach an-sprachen. Mit viel Einfühlungsvermögen und Geschick hat Söllner, der eigentlich aus der Werbefotografie kommt, in Momentaufnahmen die Menschen von Babylon im Bild festgehalten, hat Stimmung und Charme des 300-Seelen-Ortes gebannt, dessen Name übrigens keltischen Ursprungs sein soll, «sumpfiger Wald» bedeutet und sich eindeutig nicht auf den antiken Namensvetter bezieht.

Auch Jaroslav Liska lernt der Besucher der Ausstellung kennen. Er hat einen Ausflug nach Babylon gemacht, weil es «zu den schönsten Erinnerungen aus meiner Kindheit gehört». Wäre er König von Babylon, dann würde er sich die Villa Marie kaufen und die Renovierung bezahlen, verrät er. Die rührigen Worte passen zu dem groß gewachsenen Mann, der in einem Garten steht und in die Kamera blickt. Die Villa steht seit der Revolution 1989 leer und ist in sehr schlechtem Zustand. Die Fotos zeigen ein weißes, imposantes Gebäude, das den Glanz früherer Zeiten erahnen lässt.

Karel Veseley hat Robert Söllner beim Nachdenken erwischt. Er reibt sich gerade das Kinn. Was ihm an Babylon gefällt? «Sportmöglichkeiten, Sauna, Leute und Umgebung», ist seine Antwort. Navrátil Oldrich überraschen Söllner und Sauer bei der Zaunreparatur. Der alte Mann nimmt es ganz genau, mit der Wasserwaage richtet er die Latten aus. In drei Fotos hat Söllner diesen tragikomischen Augenblick festgehalten; fast möchte man, wenn man das sieht, dem Alten helfend zur Seite stehen.

Was lernen wir also? Babylon ist ein kleiner verschlafener Ort mit liebenswerten Menschen und erheblichem Charme. Drum passt er so vorzüglich zum Fürther Namensvetter. CLAUDIA BIDNER-WUNDER

Babylon: Café Babylon, Nürnberger Straße 3. Täglich ab 18 Uhr. Bis Oktober.