Lebensmittel-Offensive gegen die Armut

10.2.2011, 22:00 Uhr
Lebensmittel-Offensive gegen die Armut

© Hans-Joachim Winckler

Dass die Tafel mehr denn je nottut, ist eigentlich ein Armutszeugnis. Vom Fluch und Segen zugleich spricht Traudel Cieplik, die seit fünf Jahren den Fürther Tafelverein leitet. Ihr sehnlichster Wunsch: „dass die Tafel einmal überflüssig wird“. So lange es sie aber gibt, sei sie ein erhobener Zeigefinger für die Politik.

Anfangs hatte die Tafel fast mehr Helfer als Kunden. Heute wollen an zehn Ausgabestellen in Stadt und Landkreis 6000 Bedürftige versorgt werden. Verzweifelt sucht Cieplik rüstige Männer die in der Ausgabestelle Mathildenstraße 38 mit anpacken. „Ich hoffe, dass nicht noch weitere Ausgabestellen dazukommen, denn das könnten wir mit unseren jetzt 400 Helfern nicht mehr stemmen.“

Alles geregelt

Wegen der großen Nachfrage ist die Abgabe der Lebensmittel streng geregelt. Die Einkommensgrenze für einen Alleinstehenden beträgt 770 Euro, für einen zweiten Erwachsenen im Haushalt 400 Euro und pro Kind 350 Euro. Vom Sozialamt bezahlte Miete wird dem Einkommen zugeschlagen. Wer die Voraussetzungen erfüllt, kann einen Tafel-Ausweis beantragen und gegen einen symbolischen Beitrag zweimal wöchentlich von Geschäften gespendete Lebensmittel abholen. Die Abgabemenge richtet sich auch nach dem Vorrat. Einen Rechtsanspruch auf Unterstützung gibt es nicht.

Was Cieplik neben wachsender Arbeitsfülle Sorgen bereitet: Das Anspruchsdenken zieht Kreise, die Kunden sind immer verwöhnter. „Wir sind aber keine Vollversorger“, gibt die Tafel-Vorsitzende zu bedenken. Vielmehr sei man auf die zum Glück großzügige Unterstützung durch den Lebensmittelhandel und 330 Geldspender angewiesen. Die Geldspender mit dem Titel „Ritter“, bringen jährlich 200000 Euro zusammen, wovon Mieten und Sprit für die fünf Lieferautos der Tafel bezahlt werden. Einmal wöchentlich werden alte und kranke Menschen daheim beliefert.

Auch bei der Haushaltsführung vieler Besucher macht Cieplik Defizite aus. Eigentlich wäre eine Einkaufshilfe nötig, doch dafür hat die Tafel keine Kräfte frei. Als Reinfall auf der ganzen Linie erwies sich der Versuch, Grundlagen einer gesunden Ernährung in einem vierwöchigen kostenlosen Kochkurs zu vermitteln. Dazu wurde mit einer PowerPoint-Präsentation in der Ausgabestelle Mathildenstraße geworben. „Die meisten Besucher haben sich mit dem Rücken zur Leinwand hingesetzt“, berichtet die enttäuschte Tafel-Vorsitzende. Kein einziger Interessent habe sich für den Kochkurs angemeldet.

Zugenommen hat bei der Tafel die Nachfrage nach Fertiggerichten und Tiefkühlkost. Dem trug der Verein mit Anmieten eines eigenen Tiefkühlhauses Rechnung. Das schlug sich prompt in den Stromkosten nieder. 1500 Euro musste für die Energieversorgung der drei Kühlhäuser im vergangenen Jahr nachgezahlt werden.

Das Grundnahrungsmittel Brot wird manchmal so knapp, dass die Laiber geteilt werden müssen, um die Besucher wenigstens halbwegs versorgen zu können. Was Cieplik nicht versteht: „Es gibt Bäcker, die werfen nicht verkaufte Ware lieber weg, als sie der Tafel zu geben, weil sie befürchten, Kunden zu verlieren.“

Das Zehnjährige ist aber auch Anlass, einmal den vielen Helfern und Sponsoren Danke zu sagen. 500 sind zur Geburtstagsfeier am 16. März ins Stadttheater eingeladen. Eine Feier, für die natürlich kein Cent Spendengeld ausgeben wird. Die Künstler, der Gospelchor von Ursula Dittus, die Berufsmusikerband der Lebenshilfe und Musikschule „Vollgas“ und Mundartist Fritz Stiegler, verzichten auf Gage. Die Sparkasse Fürth, HypoVereinsbank und der Discounter Lidl stehen für Speis und Trank ein.