Obermichelbach rettet die Wirtshauskultur

1.5.2016, 14:00 Uhr
Obermichelbach rettet die Wirtshauskultur

© Hans-Joachim Winckler

Auch ein Bürgermeister darf mal ein wenig träumen, zum Beispiel, wenn es um eine Wirtschaft geht. Krautwickel und Saure Lunge tauchen dann vor Herbert Jägers geistigem Auge auf, Gerichte, die sich mittlerweile eher selten auf Speisekarten finden. Obermichelbachs Rathauschef schwärmt von „traditioneller fränkischer Küche mit regionalen Zutaten“. Gerne serviert auf blank gescheuerten Holztischen, dazu am besten noch ein selbstgebrautes Bier. Und danach kann der Gast im gleichen Haus sein müdes Haupt aufs weiche Kissen betten.

„Das“, sagt Herbert Jäger schmunzelnd, „wäre der Idealfall.“ Dazu bräuchte es freilich nicht nur einen Leitfaden, wie ein fränkisches Wirtshaus überleben kann — den soll jetzt eben das aus EU-Mitteln geförderte Leader-Projekt liefern —, sondern auch einen Investor und einen Idealisten, am besten gleich in einer Person.

Keine Gästebetten

Fränkische Küche? Die Realität in Obermichelbach sieht anders aus. Derzeit ist das kulinarische Angebot der beiden Gaststätten international, oder, genauer gesagt, mediterran ausgelegt. Unter italienischen und griechischen Speisen können die Gaststättenbesucher wählen. Wer freilich danach gerne noch eine Übernachtungsmöglichkeit hätte, sieht alt aus. Die Bettenzahl für Gäste liegt vor Ort nämlich bei Null.

Wie die Gemeinde überhaupt zu zwei Gasthäusern kam, ist einer durchaus kuriosen Entwicklung geschuldet. Lange Jahre gab es am Michelbach das alteingesessene Wirthaus Lohbauer, bekannt für seine Karpfen. Ab den 1980er Jahren konzentrierten sich die Eigentümer nur noch auf ihre Metzgerei und verpachteten die Gaststätte. Von einem häufigen Wechsel der Wirte und zwischenzeitlichem Leerstand berichtet der Bürgermeister. Irgendwann reifte bei den Politikern die Erkenntnis, dass sich dort kaum wieder ein gastronomischer Betrieb etablieren würde.

Im Rathaus suchte man nach Ersatz. Die Gemeinde erwarb die Immobilie und später, in unmittelbarer Nachbarschaft, Flächen für ein Regenrückhaltebecken sowie weitere Gebäude. Eine Scheune wurde zu den „Bürgerstuben“ umgebaut. Dort, an der Veitsbronner Straße 2 a, entstand eine Wirtschaft mit Biergarten und Parkplätzen, die 2003 eröffnete. Doch nach einer „grandiosen Biergartensaison“ im heißen Sommer ging es auch hier abwärts. Alle zwei Jahre, so Jäger, hätten sich ebenfalls die Pächter die Klinke in die Hand gegeben, auch blieb der Betrieb monatsweise verwaist. Eine Entwicklung, die erst vor eineinhalb Jahren gestoppt wurde, als ein italienischer Gastronom aus Puschendorf vorstellig wurde.

Unterdessen rauchte allerdings bereits länger auch im ehemaligen Lohbauer, dem jetzigen Gasthaus „Am Michelbach“, wieder der Schlot. Ein griechischer Gastwirt hatte sich 2003 überraschend im Rathaus gemeldet und angeboten, die Immobilie zu übernehmen. „So wie sie ist, wir mussten nichts investieren“, berichtet Jäger. Spätestens 2018 wird das Pachtverhältnis jedoch enden. Da sich das Gebäude zudem baulich in schlechtem Zustand befindet, sann Jäger über eine Zukunftsperspektive nach.

Diese eröffnete sich mit der Leader–Region, zu der der Landkreis im vergangenen Jahr wurde. Dadurch besteht Zugriff auf ein Förderprogramm der Europäischen Union, das Projekte im ländlichen Raum fördert. 50 Prozent der Gesamtsumme, maximal 200 000 Euro pro Vorhaben, kommen aus Brüssel, der Rest muss co-finanziert werden, sei es über Vereine, Firmen, Privat-Personen — oder eben Kommunen. Bei einem Leader-Workshop 2015 in Obermichelbach stieß das Thema „Erhalt der Wirtshauskultur“ auf positive Resonanz. In seinem Gemeinderat musste Jäger dagegen hartnäckig Überzeugungsarbeit leisten, erst im zweiten Anlauf nickte die Mehrheit den eigenen finanziellen Anteil, und damit das Projekt, ab.

Möglichkeiten aufzeigen

Für 20 000 Euro — 10 000 Euro kommen aus der Gemeindekasse — wird das Areal am Michelbach Gegenstand einer städtebaulichen Analyse, die nicht nur den Ist-Zustand dokumentiert, sondern auch darlegt, welche Möglichkeiten sich im Untersuchungsgebiet realisieren lassen. Eine „Betriebsanleitung für ein fränkisches Wirtshaus“, universell in jeder Gemeinde anwendbar, erwartet sich Jäger, der auf Unterstützung vom Hotel- und Gaststättenverband hofft und auch den Bürgern die Ideen vorstellen möchte.

Dank Leader kommt die Gemeinde so auf jeden Fall für relativ kleines Geld zu einem Konzept, das eine Aufwertung des Ortszentrums zum Ziel hat. Dass am Ende hier ein fränkisches Gasthaus entsteht, ist freilich nicht abgemacht. Der Abriss der bestehenden Gebäude und eine folgende Wohnbebauung wäre ebenso eine Option. Für die Rettung der fränkischen Wirtshauskultur gäbe es dann vielleicht einen Leitfaden — stattfinden würde sie allerdings nicht in Obermichelbach.

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