Ominöser Briefkasten: "Reichsbürger" in Veitsbronn aktiv

5.12.2016, 19:22 Uhr
Ominöser Briefkasten:

© Heinz Wraneschitz

Ein Mehrfamilienhaus am Westrand der 6000-Einwohner-Gemeinde Veitsbronn im Landkreis Fürth. Zwei Briefkästen tragen ganz normale Familiennamen. Am dritten Kasten steht "Verfassunggebende Versammlung". Mehr nicht.

Wesentlich mehr erfährt man auf der gleichnamigen Internetseite. Die "Verfassunggebende Versammlung" (VV) habe stattgefunden "vom 01. November 2014 bis 04. April 2016", ist da zu lesen. Warum die "VV" nötig gewesen sein soll, auch das steht dort: Weil mit dem Ende der DDR "die Deutschen aufgefordert waren, ihre staatlichen Stellen wieder zu errichten".

Nun endlich habe die "VV" mit Postsitz Veitsbronn das nachgeholt, was nach Meinung ihrer Teilnehmer viel eher hätte passieren müssen: Seit jenem 17. Juli 1990 nämlich sei "die Bundesrepublik Deutschland, wie die Deutsche Demokratische Republik, juristisch nichtig ... Jeder andere Deutsche ist durch Abstammung befugt, die Staatlichkeit von Deutschland durch eine Verfassunggebende Versammlung wiederherzustellen."

Personalausweise zurückgegeben

Solche "dort veröffentlichte Ausführungen sprechen für eine Zugehörigkeit zur Reichsbürgerszene", bewertet das bayerische Innenministerium die "VV". Denn "der heterogenen Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter gemeinsam ist die fundamentale Ablehnung der Bundesrepublik Deutschland und ihrer gesamten Rechtsordnung", und genau das geschehe auch durch die "VV", so ein Ministeriumssprecher.

Erst dieser Tage hatte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bekanntgegeben, der Polizei seien in Bayern etwa 1700 "Reichsbürger" bekannt. Vor allem wohl deshalb, weil sie ihre bundesdeutschen Personalausweise zurückgegeben oder Bußgelder nicht bezahlt hätten.

Ob jener "Harald von Werner", dem der "VV"-Briefkasten in Veitsbronn offensichtlich gehört, zu diesen 1700 zählt, darüber wollten sich weder das Ministerium noch der Sprecher des Landesamts für Verfassungsschutz äußern. Die Veitsbronner Gemeindeverwaltung weiß jedenfalls aktuell von drei Personen, die sich im Bürgeramt als "Reichsbürger" zu erkennen gegeben haben. Darunter ist jener Mann, der sich selbst "Harald von Werner" nennt. Doch ihm sei "dessen Bedeutung in der Szene bislang nicht bewusst gewesen", gibt Marco Kistner (CSU), der Bürgermeister von Veitsbronn, auf Nachfrage zu.


Hier zum Artikel: " Der "Reichsbürger" von Georgensgmünd hatte 30 Waffen"


Aus der dortigen "VV-Dienststelle" – die Veitsbronner "Korrespondenzadresse" ist auf zahlreichen Schriftstücken zu finden, zum Beispiel einem Fax an UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon vom 15. Dezember 2015 – will niemand mit der Nürnberger Zeitung sprechen. "Lassen Sie den Blödsinn", sagt eine männliche Stimme bei einem zweiten Anruf.

Schriftliche Anfragen der NZ beantwortet ein "Thomas von Willy, Pressesprecher Bundesstaat Deutschland im Rechtestand der VV vom 11. Oktober 2015" nur mit dem lapidaren Hinweis: Die Antworten stünden auf der Homepage und seien "nach eingehender Beschäftigung klar verständlich".

Beim Veitsbronner Vermieter reagiert man jedenfalls genervt, als wir ihn nach der "Verfassunggebenden Versammlung" fragen: "Da müssen Sie bei P. anrufen", erklärt man uns. Und: "Aber gerade ist der Herr mit seinem Hund Gassi gegangen."

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