Rassistisches Merkblatt in Fürth sorgt für Empörung

13.12.2015, 06:00 Uhr
Die Fürther Polizei verzeichnet rund um Flüchtlingsunterkünfte keine Probleme. Das entdeckte "Merkblatt" suggeriert auf perfide Weise anderes.

© Archivfoto: Berny Meyer Die Fürther Polizei verzeichnet rund um Flüchtlingsunterkünfte keine Probleme. Das entdeckte "Merkblatt" suggeriert auf perfide Weise anderes.

Einer Bewohnerin des Hauses in der Vacher Straße kam der Aushang am schwarzen Brett im Hausflur verdächtig vor – und überaus dreist: Auf diesem „Merkblatt“ begegneten ihr diverse Hetzparolen gegen Flüchtlinge, die man auf Flugblättern aus der rechtsextremen Szene erwarten würde. Hier allerdings hatte einer die Anfeindungen und Unterstellungen hinterhältig versteckt: in einem Text, der das Gegenteil von Hetze zu sein vorgibt.

Für den unbedarften Leser soll der Eindruck entstehen, der Stadtrat informiere darüber, dass in der Nähe eine Asylbewerberunterkunft entsteht, und werbe um Verständnis für die „heimatlichen Bräuche“ der Flüchtlinge – die dann schockieren sollen: So wird etwa um Nachsicht gebeten, wenn die neuen Nachbarn „die Nacht zum Tag machen“, Abfälle liegen lassen, mit Drogen handeln, klauen (wörtlich: „Wohlstandsunterschiede ausgleichen“). Frauen wird empfohlen, nicht allein aus dem Haus zu gehen, da dies „eindeutige Absichten signalisiere“.

Die Bewohnerin wandte sich an die Bürgerinformation des Rathauses, wo man das Schreiben umgehend ans Bürgermeisteramt und an die drei Stadtratsfraktionen (SPD, CSU, Grüne) weitergab. Deren Vorsitzende zeigen sich in einer Pressemitteilung entsetzt über das „rassistische Merkblatt“, das sie keineswegs verfasst hätten. Sie verurteilen „die darin verbreitete Hetze gegen Flüchtlinge scharf“. Es handle sich um „rechtsextreme Propaganda“: Die „empfohlenen ,Verhaltensregeln‘ gegenüber Asylbewerbern sind sarkastisch, niveaulos und polemisch.“ Die Fraktionschefs haben angekündigt, Strafanzeige zu stellen.

"Merkblatt" in mehreren Häusern?

Als Unterzeichner nennt das Schreiben die „Fraktionen der SPD, CDU, Grünen und FDP“ – dies lässt hiesige Politiker vermuten, dass die Vorlage im Internet kursiert: Die CDU sucht man in Bayern bekanntlich vergeblich. Die FDP ist zwar im Fürther Stadtrat, stellt aber keine Fraktion.

Noch weiß man im Rathaus nicht, ob das „Merkblatt“ in mehreren Häusern verbreitet wurde. Betroffene Bewohner werden gebeten, sich zu melden. Eine Anfrage der FN, ob der Polizei ähnliche Vorfälle aus der Region bekannt sind, konnte am Freitag noch nicht beantwortet werden.

Um den Gerüchten, die sich vor allem im Internet in den vergangenen Monaten rasant verbreitet haben, Fakten entgegenzusetzen, betonte Polizeisprecher Peter Schnellinger einmal mehr: Konflikte in den Unterkünften gebe es zwar – außerhalb jedoch verzeichne man keinen auffälligen Anstieg bei Delikten. Fürths Polizeichef Peter Messing hatte sich auf FN-Nachfrage im Oktober ähnlich geäußert: Die Statistik gebe keine Grundlage her für die Gerüchte, die sich bundesweit wie ein Virus verbreiten. Ihm war kein Fall einer Auseinandersetzung zwischen einem Asylbewerber und einem Fürther bekannt.

Hetze auch im Netz

Um Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen, werden im Netz Gerüchte gestreut und von vielen weiterverbreitet. Vielerorts findet man ähnliche Storys, etwa von Vergewaltigungen und getöteten Pferden. Jüngst hieß es, Pferde von Star-Reiter Paul Schockemöhle seien geschlachtet worden – eine Nachfrage von Reportern bei Polizei und Reiter ergab: Das ist gelogen. In Treuchtlingen ermittelt die Polizei, wie berichtet, gegen einen 22-Jährigen, der über Facebook behauptet hatte, ein Mädchen sei von Asylbewerbern missbraucht worden: Die Vergewaltigung hat es nie gegeben.

Die Polizei ist zunehmend bemüht, gegen die Hetze vorzugehen, die den Nährboden für Gewalt gegen Flüchtlinge bereitet. Das Landeskriminalamt in Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise warnte vor kurzem vor Falschmeldungen. Es riet: „Interessieren Sie sich stets auch für den Ursprung solcher Informationen – lassen Sie sich ganz konkret Ross und Reiter benennen! Sofern dies nicht möglich ist, ist eine Falschinformation zu vermuten, zu deren Weiterverbreitung nicht beigetragen werden sollte.“

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