Sonnenbad auf dem Parkhaus

5.1.2015, 13:00 Uhr
Sonnenbad auf dem Parkhaus

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Im Parkhaus des Düsseldorfer Flughafens parkt seit diesem Sommer ein Roboter die Autos ein. Eine Weltneuheit, wie Zeitungen berichteten. Die Besitzer stellen ihre Wagen einfach am Eingang ab, die Maschine kümmert sich um den Rest.

Sonnenbad auf dem Parkhaus

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Vor 90 Jahren hat es keinen Roboter gebraucht, um einen jungen Fürther nachhaltig zu beeindrucken: Damals war ein Parkhaus an sich schon eine Sensation. Gottlieb Trommeter, der fasziniert von Autos war, begegnete der neuen Erfindung in New York, wo er als Handelsvertreter der väterlichen Schatullenfabrik aus der Ottostraße zu tun hatte. Zurück in Deutschland, so wurde die Geschichte jedenfalls seiner Urenkelin Daniela Pfau erzählt, hat er gesagt: „Mensch, in Amerika bauen die Parkhäuser. Das machen wir hier auch!“

Sonnenbad auf dem Parkhaus

© Foto: Pfrogner

Platz fand sich auf dem Grundstück Ottostraße 1, im Herzen der Stadt, direkt neben Wohnhaus und Fabrik der Familie. 1928 ging die Central-Garage in Betrieb. Nur wenige Städte in Deutschland waren früher dran.

Sonnenbad auf dem Parkhaus

© Michael Müller

Als Daniela Pfau Mitte der 1960er Jahre aufwuchs, gehörte die Central-Garage schon fest zu Fürth – und zur Familie. Nach dem Uropa und der Oma war jetzt ihr Vater, Peter Fasig, an der Reihe, das Parkhaus zu betreiben, zu dem eine Werkstatt, eine Waschanlage und eine Tankstelle gehörten. „Mein erster Aufsatz in der Schule hieß: Wie tanke ich mein Auto“, erzählt die heute 50-Jährige. Viele Erinnerungen wurden wach, als sie die Wohnung ihres im April verstorbenen Vaters ausräumte und auf alte Fotos stieß.

Dem Düsseldorfer Roboter-Parkhaus war die Central-Garage gar nicht so unähnlich: Eine Ein- und Ausfahrt gab es nicht, sondern einen Autoaufzug. Dessen Knöpfe bediente Pfaus Vater, von sieben Uhr morgens bis sieben Uhr abends. Anders als heutige Parkhäuser kannte die Central-Garage keine Kurzzeitparker: Kunden waren vor allem die Ärzte und Geschäftsleute aus der Innenstadt, die ihre Karossen morgens brachten und abends abholten. Manche von ihnen steuerten selbst in den Aufzug, erzählt Pfau, andere hatten es eilig und überließen es lieber ihrem Vater, der sämtliche Zweitschlüssel besaß, das Schmuckstück in den engen „Metallkäfig“ zu lenken.

Peter Fasig wusste zudem genau, wo welches Auto geparkt werden musste: Das richtete sich nach den Abholzeiten der Kunden, sagt Pfau. Denn die waren mittlerweile so zahlreich, dass nicht mehr nur die Boxen genutzt wurden, sondern auch der Raum dazwischen. Um aufwendiges Hin- und Hermanövieren zu vermeiden, standen hier die Autos, die zuerst abgeholt wurden. Hielt sich einer nicht an die vereinbarte Zeit, konnte das den Plan freilich durcheinanderbringen.

Gegen 19 Uhr fuhr der Vater die letzten verbliebene Fahrzeuge aus der Garage, stellte sie draußen ab – ebenfalls in der Reihenfolge der Abholzeiten. War das erledigt, ging er zum Abendessen ins Haus nebenan, wo die Familie jahrelang mit der Oma lebte. „Manchmal klingelte es beim Essen, weil wieder jemand nicht rechtzeitig gekommen war und andere eingeparkt waren.“

Viele Bilder haben sich in Pfaus Gedächtnis eingebrannt: Von Sonntagen, an denen sie mit dem Bruder mittags auf den Stufen vor dem Haus saß, das Essen auf dem Schoß: „Wir sollten rufen, wenn jemand tanken wollte.“ Von Sommertagen, an denen sie sich mit Decke und Sonnencreme auf das Dach der Central-Garage verzog. Von ihrem ersten Auto, einem Ford Taunus, den sie in dem Parkhaus abstellen durfte, der aber kaum in den Aufzug passte: „Das war so ein langes Schiff!“ Anfangs habe sie das Parken daher lieber dem Vater überlassen. Und auch an zwei, drei Partys erinnert sie sich, die sie in dem Gebäude feiern durfte. „Einmal hatten wir eine Neonparty: Alle zogen etwas Neonfarbenes an, Musikboxen wurden aufgestellt . . .“

2003 endete das Kapitel: Peter Fasig gab die Central-Garage auf, das Geld für die dringend nötige Modernisierung fehlte. Ihr Vater, erinnert sich Daniela Pfau, war sein Leben lang damit beschäftigt, Kredite zurückzuzahlen, die die Großmutter aufgenommen hatte. Diese hatte zwar die Höhere-Töchter-Schule besucht, war aber mit dem Betrieb von Garage, Tankstelle und Werkstatt – in den 50er Jahren und 60er Jahren waren hier 16 Mitarbeiter im Schichtdienst beschäftigt – völlig überfordert. 1981 musste zudem für 200 000 Mark ein neuer Aufzug angeschafft werden. Dass das Haus unter Denkmalschutz stand, war eine zusätzliche Hürde, sagt Pfau: „Mein Vater wollte Ein- und Ausfahrten bauen und aufstocken, aber das ging nicht.“ Es sei traurig, dass es für das älteste Parkhaus Bayerns keine Unterstützung gab, zumal in der Innenstadt weitere Parkplätze dringend benötigt wurden.

Abstriche vom Denkmalschutz wurden kürzlich dann doch gemacht: Seit 2012 verwandelt die Nürnberger Firma Bauhaus die Central-Garage in Wohnraum. 22 Wohnungen entstehen. Für einen Lichthof wurde ein Teilabbruch genehmigt, auch die Aufstockung um zwei Etagen wurde erlaubt. Das Ergebnis findet Pfau gelungen. Und doch irgendwie schade . . .

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