Grünen-Chefin Claudia Roth war in Gunzenhausen

19.8.2013, 16:13 Uhr
Grünen-Chefin Claudia Roth war in Gunzenhausen

© Erich Neidhardt

Das Engagement für Menschen- und Bürgerrechte, Gleichberechtigung und Toleranz liegen der 1955 in Ulm geborenen Politikerin besonders am Herzen. Ihre außenpolitische Leidenschaft gilt der Türkei. Seit vielen Jahren verfolgt die Bundestagsabgeordnete die politische Entwicklung in diesem Land und setzt sich für mehr Demokratie und Menschenrechte ein. Sie macht sich vehement dafür stark, der Türkei die Tür nach Europa und in die EU zu öffnen: „Wenn das Land den erfolgreich beschrittenen Reformweg konsequent weiter geht, dann muss die EU ihr Versprechen halten und der Türkei eine Beitrittsperspektive ermöglichen“, sagt sie.
In Gunzenhausen war es Claudia Roth wie auch bei den übrigen Stati­onen ihrer Deutschlandtour wichtig, mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen, aber auch die „große Politik“ näherzubringen und zum Engagement aufzufordern. Die prominente Politikerin und kämpferische Menschenrechtsexpertin warb für das Wahlprogramm der Grünen und die Ablösung von schwarz-gelb in Bayern und ganz Deutschland.
Das Café „Lebenskunst“ war mit rund 60 Gästen proppenvoll, als Claudia Roth pünktlich um 15.30 Uhr ankam. Zuvor hatte sie sich noch kurz den Gunzenhäuser Marktplatz angeschaut und einen Infostand der örtlichen Grünen besucht, wo sie von der Bundeskandidatin Sina Doughan, Landtagskandidat Dirk Sauer und den Grünen-Stadträten Helga Betz, Peter Schnell und Christoph Mötsch begrüßt wurde. „Das ist doch die Claudia Roth“, war von nicht wenigen Passanten zu hören, die sichtlich überrascht waren, die prominente Politikerin an einem ganz normalen Nachmittag in einer fränkischen Kleinstadt zu sehen.
Im Café „Lebenskunst“, wo die für ihren emotionalen und leidenschaftlichen Politikstil bekannte Bundespolitikerin erst einmal ein Mineralwasser genoss, stellte Dirk Sauer Claudia Roth als jemand vor, der die Politik noch so erklären kann, dass sie die Menschen auch verstehen. Wie die nachfolgenden Statements der Grünen-Vorsitzenden zeigten, hatte er damit nicht übertrieben.
Lobende Worte fand Claudia Roth eingangs für die Idee, die hinter dem Projekt „Lebenskunst“ der Lebenshilfe mit ihrem Vorsitzenden Thomas Thill steckt – einen Ort zu schaffen, der die Begegnung von Menschen mit und ohne Behinderung ermöglicht und fördert. „Der Begriff Inklusion wird hier mit Leben erfüllt“, äußerte sich der Gast aus Berlin anerkennend.
Ihre Deutschlandtour ist für Claudia Roth „Heimatkunde vom allerfeinsten“. Das persönliche Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern ist ihr außerordentlich wichtig, wie in Gunzenhausen deutlich wurde. Trotz ihres vollen Terminkalenders nimmt sie sich Zeit, die Sorgen und Nöte der Menschen kennenzulernen.
„Die Grünen setzen auf Dialog, auf die Begegnung auf Augenhöhe“, sagte Roth. Ihre Partei verzichtet nach ihren Worten darauf, den Menschen vor der Wahl Sachen zu versprechen, die dann doch nicht eingehalten werden können. Gut findet Claudia Roth die Aufforderung des neuen Papstes Franziskus, der globalen Gleichgültigkeit etwas entgegenzusetzen. So dürfe man vor Problemen wie der weltweiten Klimaerwärmung genausowenig die Augen verschließen wie vor Themen wie Hunger, bewaffnete Konflikte, Menschenrechtsverletzungen oder auch Armut.
Mit ihren Vorstoß, dass in öffent­lichen Kantinen an einem Tag in der Woche nur vegetarisches Essen angeboten wird, wollen die Grünen den Menschen laut Roth nicht vorschreiben, wie sie sich zu ernähren haben. Die Idee dahinter sei vielmehr, Umwelt und Tiere zu schonen und ein Umdenken beim zu hohen Fleischkonsum in Gang zu setzen. Für Claudia Roth ist es zudem wichtig, dass die Energiewende vorangetrieben und beispielsweise durch die Einführung eines Mindestlohns für mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft gesorgt wird. Es sei auch allerhöchste Zeit, dass Frauen für gleichwertige Arbeit auch den gleichen Lohn bekommen und dass die drohende Altersarmut schon im Berufsleben bekämpft wird. Unverzichtbar seien überdies qualitätvolle Einrichtungen für die Betreuung von Kindern und von älteren Menschen, die alleine nicht mehr zurecht kommen. Deutschland sollte Heimat sein für alle Menschen, also auch für diejenigen, die einen Migrationshintergrund mitbringen, sagte Roth.
Weil inhaltlich zu weit voneinander entfernt, kann sich Claudia Roth nicht vorstellen, dass schwarz und grün gemeinsam auf der politischen Bühne agieren. „Angela Merkel ist eine angenehme Person, aber ihre Politik ist nicht angenehm“ sagte sie im Café „Lebenskunst“. Für die Bundesvorsitzende sind die Grünen die eigentlich Bürgerlichen, die mit Anstand und ohne falsche Versprechungen ihren Weg gehen. Sie hofft, dass mit der SPD als Partner bei der Bundestagswahl ein Wechsel herbeigeführt werden kann. Ein Miteinander mit den Linken  ist für Claudia Roth ausgeschlossen. Erst einmal wisse man gar nicht genau, was sie überhaupt wollen und außerdem würden von dieser Seite Forderungen gestellt, die sich zwar gut anhören, die aber nicht machbar seien. „Wir setzten auf eine rot-grüne Mehrheit mit starken Grünen“, sagte Roth.
Betrachte man die Politik von CDU und CSU, dann könne man den Eindruck gewinnen, dass das für christlich stehenden „C“ im Namen nicht zutrifft. Von einer Bewahrung der Schöpfung sei jedenfalls reichlich wenig zu erkennen. Nicht umsonst fänden viele Christen bei den Grünen ihre Heimat. „In die falsche Richtung“ ist Roth zufolge die Entwicklung bei den Biogasanlagen gelaufen. Dass mittlerweile riesengroße Monokulturen zur Belieferung der Anlagen entstanden sind, könne nicht befürwortet werden. Hier seien Begrenzungen genauso nötig wie klare Bedingungen für die Fruchtfolge. Zu den Themen, die beim „Kaffeeklatsch mit Claudia“ beackert wurden, zählten auch die Subventionspolitik der EU und das weite Feld der Gesundheitspolitik.
Nach gut eineinhalb Stunden verabschiedete sich Claudia Roth von den Besuchern im Café „Lebenskunst“. Sie hörte zum Abschluss dicken Applaus. Lange konnte sie sich zum allgemeinen Bedauern der Gäste nicht mehr in Gunzenhausen aufhalten, stand doch schon der nächste Termin an: Eine Rede im Rahmen eines Weinfests in Weigenheim im Landkreis Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim.

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