"Saitenklänge" kamen gut an

14.5.2016, 12:01 Uhr

© Kristy Husz

Dank strahlenden Frühlingswetters kann der erste Teil der Veranstaltung im Freien über die Bühne gehen. Hier, unter den hellgrünen Baumkronen des Markgräflichen Hofgartens, ermuntern die international preisgekrönten Gitarristen Klaus Wladar, Dimitri Lavrentiev und Takeo Sato ihre Zuhörer zunächst zu einer Gedankenreise in den warmen Süden. Ein Potpourri aus Georges Bizets Oper „Carmen“ sowie drei Stücke von Isaac Albéniz entführen gedanklich in Städte wie Sevilla und Granada, lassen – spätestens mit Ertönen der berühmten, von den Vortragenden selbst für drei Gitarren arrangierten „Habanera“-Arie – passend zum Namen des Trios spanisches Temperament und Lebensfreude auflodern.

Im Hintergrund singen dazu die Vögelchen, eine leichte Brise spielt mit dem Laub und den Notenblättern, und wäre da nicht der obligatorische Motorenlärm der Bühringerstraße, man könnte alle Widrigkeiten des Alltags wunderbar vergessen... Davon glücklicherweise unbeeindruckt führt der musikalische Trip hinauf in den hohen Norden, wo Edvard Grieg und eine Suite zu Henrik Ibsens dramatischem Gedicht „Peer Gynt“ warten. Nach der kuscheligen „Morgenstimmung“ dauert es allerdings nur wenige Minuten, bis das Licht der Abendsonne endgültig lange Schatten wirft, norwegische Trolle, Kobolde und Gnome fast greifbar zwischen den Saiten und „In der Halle des Bergkönigs“ ihr Unwesen treiben und sich ein ganz realer Ortswechsel ins Innere ankündigt.

Dort kann man sich in den Pausen mit leckeren Häppchen stärken und nehmen im Markgrafensaal sogleich vier Streicher Kurs auf Westen, indem sie das „Amerikanische Quartett“ Antonín DvoÝáks zum Besten geben, zu dem der böhmische Komponist während eines Aufenthalts im US-Bundesstaat Iowa inspiriert wurde. Ein übermütiges und prachtvolles Werk, das einen krassen Kontrast bildet zu dem – Gänsehaut erzeugenden – letzten geografischen Ziel: Dmitri Schostakowitschs Streichquartett Nr. 7 in fis-Moll entfaltet im 2. Satz östliche Schwermut und überlistet ansonsten, wie die jungen Musiker anhand von Tonbeispielen aufzeigen, mit versteckten Phrasen die Zensur, um implizit Kritik am Sowjetregime zu üben.

Russland bleibt für das „Alegrías Guitar Trio“ im zweiten Set ebenfalls ein Thema. Das klassische Repertoire weicht nun eingängigen Melodien aus Pop und Jazz, welche die drei Saitenkünstler locker und bestens gelaunt aus dem Ärmel schütteln. Sie bringen ihre Gäste unter anderem mit dem lässigen Rhythmus von „Take Five“ zum Grooven, selbst wenn Paul Desmonds markantes Saxofon ein klein wenig fehlt, sorgen für Heiterkeit mit den Titelsongs der „Pink Panther“-Filmreihe und der Fernsehserie „Löwenzahn“, liefern eine perfekt arrangierte, bittersüße Version des Police-Klassikers „Every Breath You Take“ ab und präsentieren drei Tänze von Elena Popljanova, einer Landsfrau Dimitri Lavrentievs.

© Kristy Husz

Der gebürtige Russe, der das Gitarrentrio mit seinen beiden Kollegen nach Abschluss der Musikhochschule in Augsburg gründete, hat auch ein eigenes Lied im Gepäck, „Crossroads“. Es drückt Aufregung und Neugier aus, demonstriert das Herzklopfen, mit dem Lavrentiev einst an einem Bahnhof stand und zum Studium nach Deutschland aufbrach. Vielleicht nicht ganz zufällig erinnert genau dieses Herzklopfen an den Hit „Teardrop“ von Massive Attack, trotzdem ist es ein gelungenes Stück und darüber hinaus der Name des nächsten Albums der Dreiercombo.

Eine einzige CD hat bislang das Feuerbach-Quartett auf dem Markt, was jedoch angesichts der gigantischen Publikumsresonanz, welche die vier Wahl-Nürnberger beim Beschließen des insgesamt vierstündigen Konzertabends erfahren, sicherlich nicht so bleiben wird. Über ein Zeitungsinserat, das der Bratschist Eugen Huber 2013 aufgab, fand das Ensemble zusammen: „Weltberühmtes Streichquartett sucht zwei Geigen und ein Cello.“ Es meldeten sich die Violinisten Anne Maertens und Max Eisinger sowie Lukas Kroczek, und der erste Song, den man gemeinsam einstudierte, war derjenige zum damals aktuellsten „James Bond“, nämlich „Skyfall“.

In Gunzenhausen ist er genauso zu hören wie „Someone Like You“, ein weiterer Ohrwurm der britischen Sängerin Adele. Brillant mimt Anne Maertens’ 1. Geige den Gesangspart, nichts muss man diesmal vermissen. Etliche andere Charts-Erfolge von Muse bis Barry Manilow, von Nirvana über Coldplay bis Cro runden diesen Part ab, den man, nach dem „Pflichtprogramm“ mit den klassischen Komponisten, getrost als meisterhafte Kür bezeichnen kann, die überdies komplett auswendig gespielt wird.

Das Fazit: Klassik muss nicht stets furchtbar ernst daherkommen. Die Idee der „Kulturmacherei“ darf gern jährlich einen festen Platz im Terminkalender erhalten.

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