"Sus Dungo" begeistert in Unterwurmbach

28.9.2016, 11:56 Uhr

© Kristy Husz

Bands aus dem Baltikum bekommt man in hiesigen Gefilden ja eher selten zu Gesicht. Vielköpfige Frauenformationen, mit Ausnahme der jüngst auf der Kirchweih zu bestaunenden „Isartaler Hexen“, eigentlich auch. Die Girlgroup „Sus Dungo“ mit Heimat im fernen Nordosten ist daher herkunftsbedingt wie optisch durchaus in die Schublade mit dem Aufkleber „Exoten“ einzusortieren, kredenzt deshalb jedoch noch lange keinen Folklore-Abend oder klebrigsüße Mädchenmusik. Nein, die – mit floralen Mustern und rosa-blauen Röcken verspielt weiblich gewandeten – Mädels sind versierte Instrumentalistinnen, Komponistinnen und Summerinnen (!) und haben ein ganz eigenes Genre im Gepäck. In ihrer Muttersprache bedeutet „Dungo“ nämlich nichts anderes als summen, und genau das tun Frontfrau Diana Sus, eine Art lettische Cousine von Amy Macdonald, und ihre Kolleginnen tatsächlich ausgiebig. Mehrstimmig sirren, seufzen, glucksen, zirpen und brummeln sie, dass man sich mal im Elfenland auf einer frühlingshaften Blumenwiese, inmitten geheimnisvoller Wälder oder unter tosenden Meeresfluten wähnt, und mal wie ein Fötus eingelullt von mütterlichem Herzschlag fühlt. Verwunschene Traumlandschaften tauchen vor dem inneren Auge auf, den Zehen schmeicheln Liene Grosas liebliche Akkordeonwellen, ab und zu necken uns die herumflitzenden Licks von Lauma Kazakas frecher Leadgitarre, und Ruta Sipolas Querflöte umtänzelt die Ohren in bester Jethro-Tull-Manier.

In der Summe changiert dies alles irgendwo zwischen den artverwandten „Katzenjammer“ aus Norwegen und „Ganes“ aus Südtirol und dürfte gern noch eine Spur mehr Biss haben, denn die Damen agieren für das, was sie drauf haben, fast zu schüchtern. Vielleicht liegt das daran, dass sich im Zeichen des erfrischenden Gesamtkunstwerks keine allzu sehr in den Vordergrund spielen möchte. Das harmonische Miteinander der sechs unverbrauchten Künstlerinnen sorgt auf und vor der Bühne jedenfalls für eine friedlich-entspannte Atmosphäre, die man so in dem Gasthaus nicht zwingend erwartet hätte. Dort, wo sonst gutbürgerliche Fleischgerichte über die Theke der dazugehörigen Metzgerei wandern und der Geist zünftiger Faschingspartys in der Luft hängt, wirken die ätherischen Ladys auf den ersten Blick schließlich ein bisschen deplatziert.

© Kristy Husz

Aber das gibt sich schnell, spätestens beim zweiten Song bilden Band, Publikum und Location eine feste Einheit. „Randa loul“ („Lied der Küste“) heißt der schwermütige, pinkfloydeske Klangteppich, der sich bis in die hintersten Ritzen des Raumes ausbreitet und an epische Filmscores erinnert. Weich kann man sich in ihn fallen lassen, um zu anderen, wie Champagner perlenden Melodien fortgetragen zu werden: zu „Teta Darzs“ („Papas Garten“) etwa, einer federleichten Hymne auf die Lebensfreude, oder zu einer extrem entschleunigten Version von Gnarls Barkleys verschrobener Hitsingle „Crazy“, genial interpretiert von Bassistin Marika Arro und deren Schwester Anneli, der Perkussionistin der Gruppe. Und apropos Filmmusik: Wenn etwas in den Stücken immer wieder nachhallt, dann ist es Yann Tiersens „Amélie“- Soundtrack, und dieser französische Touch kommt nicht nur von Anneli Arros grazilem Volkslied „À la claire fontaine“.

Beim geforderten Nachschlag dürfen die Zuhörer selbst singen und das hypnotische „The River Lullaby“ als Indie-Pop-Big-Band verstärken. Insgesamt ist der Auftritt kurz, doch lang ist der Applaus, und gegen Entzugserscheinungen kann man sich glücklicherweise zwei Album-Veröffentlichungen mitnehmen, denn im Unterschied zu Lettland laufen „Sus Dungo“ bei uns leider noch nicht im Radio.

Ob nun aber die eine oder andere Dame sirenengleich das eine oder andere Herz gebrochen hat, wie von Diana Sus prophezeit? Darüber war bei den genussvoll schweigenden Gästen nichts in Erfahrung zu bringen. Gewissheit gab es indes in einer weiteren, weitaus wichtigeren Frage: Dieses Konzert war einfach einmal etwas ganz anderes – und wunderschön.

 

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