Stroh statt Stein

28.8.2010, 10:00 Uhr
Stroh statt Stein

© André DeGeare

Ludwig Bendner ist baff. "Ich habe so was auch noch nie gesehen. Man findet irgendwie doch immer zurück zum Alten", sagt der Bauunternehmer von der Firma Holzbauhaus, die für das Dach und alle Holzarbeiten zuständig ist. Damit hat er Recht: Schon vor Jahrhunderten wurden Häuser aus Holz, Stroh und Lehm gebaut. Im Schnitt hielten sie 100 Jahre lang.

Jetzt hat man die Bauweise wieder entdeckt. "In Norddeutschland gibt es ein ganzes Dorf, das nur aus Strohhäusern besteht", weiß Bauherr Gerald Schüller. Bisher haben sich in Bayern nur fünf andere für diese ökologische Bauart begeistern können.

Wie kommt man überhaupt auf die Idee, ein Strohhaus zu bauen? "Zuerst wollten wir eigentlich ein Haus aus Holz", sagt Gerald Schüller , "aber dann habe ich einen Vortrag über diese neue Bauweise gehört und war sofort überzeugt. Sie hat einfach etwas Ästhetisches."

Außerdem gefiel ihm, dass das Haus komplett ökologisch abbaubar ist, wenn es einmal nicht mehr bewohnbar sein sollte. Da das gepresste Stroh sehr gut dämmt, sinken die Energiekosten. Bauunternehmer Helmut Schmidt aus Neustadt erklärt, dass ein Kachelofen zum Beheizen völlig ausreicht, wenn es sich um solch ein energiesparendes "Passivhaus" handelt. Er kümmert sich um die Fundamente, die aus dem einzigen unnatürlichen Baustoff Beton bestehen.

Trotz Ofen und Stroh unter einem Dach muss sich die Familie Schüller keine Sorgen machen, dass ihr Heim leichter brennt als andere. Das luftdicht gepresste Stroh mit Lehmputz hält laut Baustoff-Prüfung 60 bis 90 Minuten dem Feuer stand. In etwa so lang wie ein normales Massivhaus. Das ist erheblich länger als bei einem gewöhnlichen Holzhaus, weswegen auch die Versicherung billiger ist. Das extrem zusammengepresste Stroh lässt auch Ungeziefer außen vor. "Mäuse oder sonstiges Getier haben keine Chance sich einzunisten", versichert Gerald Schüller.

Gut für die Region

Biolandwirt Georg Kirschner aus Obernesselbach, der die Strohballen liefert, ist auch an der Baustelle anzutreffen. Da nur Materialien aus der Region verwendet werden, profitieren vor allem die kleineren Unternehmen von dem Projekt. Jedoch "ist die Hoffnung naiv, dass ein Strohballenhaus günstiger als ein normales Haus ist", gibt Bauunternehmer Helmut Schmidt zu.

Eine weitere Besonderheit: An der Baustelle werkeln auch Freiwillige, die unter anderem aus Ungarn oder der Türkei extra angereist sind. Gegen Verpflegung und Unterkunft lernen so die Architekten, Handwerker oder sonstigen Interessierten hautnah den Strohballenbau kennen. Diesen außergewöhnlichen Workshop leitet die ökologisch orientierte Architektin Friederike Fuchs, die auch selbst eifrig Hand anlegt, denn ihrer Meinung nach "ist Stroh der Porsche unter den Wandbaustoffen". Wasser sollte dem "Porsche" nach Möglichkeit aber fern bleiben. "Gute Stiefel und ein großer Hut" sind laut Friederike Fuchs das Geheimnis. Soll heißen: Das Haus steht 30 Zentimeter vom Boden entfernt, damit kein Regenwasser ans Stroh gelangt. Ein besonders großer Dachvorsprung schützt die Außenwände. "Es ist wichtig, das Dach immer gut instand zu halten", sagt Schüller.

Sollte wirklich einmal ein Strohballen schimmeln, so Friederike Fuchs, könne dieser einfach ausgetauscht werden. Dafür muss man nur den Lehmputz an der richtigen Stelle aufreißen, einen neuen Ballen einsetzen und alles wieder schließen. Wegen der Empfindlichkeit für diese Schäden dürfen solche Häuser nicht in Hochwasserregionen gebaut werden. Entworfen hat das Haus in Stolzenroth übrigens Ulrich Bauer zusammen mit seinem Teilplaner, der passenderweise den Namen Erwin Stroh trägt. Ganz am Schluss wird ein "Fenster der Wahrheit" eingebaut werden. Anstatt des Lehmputzes offenbart an einer bestimmten Stelle an der Wand eine Plexiglasscheibe deren Innenleben. Schon kommende Woche werden die Wände mit Lehm verputzt. Wer also noch einen Blick auf das Haus mit den Strohwänden werfen will, sollte sich beeilen.