„Arbeitgeber sollen die Glücksfaktoren sichern“

6.3.2013, 19:12 Uhr
„Arbeitgeber sollen die Glücksfaktoren sichern“

© Groh

Der innere Zusammenhang ist schnell hergestellt, denn der Nürnberger Volkswirtschaftler und Glücksforscher Ruckriegel sucht das Glück und seine Voraussetzungen nicht in der Seele des einzelnen Menschen, sondern auf gesellschaftlicher Ebene. Er definiert es als kollektives Wohlbefinden, als Zufriedenheit mit den Lebensverhältnissen in einem Staat.

Und die Kirchen haben dafür seit je und ganz besonders nach der Finanzkrise 2008/2009 Vorschläge gemacht. Diese referierte der stellvertretende Chefredakteur der Nürnberger Nachrichten, Alexander Jungkunz, als Mitglied der Landessynode, also des „Parlaments“ der evangelischen Kirche, ehe er in seine Rolle als Journalist zurückkehrte und die Diskussion ums Glücklichsein moderierte. „Lernen aus der Krise“ — dieses Papier hat die Synode vorgelegt. Es enthält unter anderem den Appell für die Einführung des Mindestlohns, fordert ethische Maßstäbe für das Finanzgebaren nach dem Leitbild des „ehrbaren Kaufmanns“ und die Forderung, den Sonntag als den „ersten Tag der Woche“ zu schützen. Alles sehr gelobt, so Jungkunz, aber nicht befolgt. Wie so viele „totgelobte“ Äußerungen.

Der Synodale sagte auch, die Landeskirche lege Maßstäbe für ethisches und umweltschonendes Handeln auch an sich selbst an — vom Projekt „Grüner Gockel“ bis zur 2012 ergangenen Handreichung, regionale Erzeugnisse bei kirchlichen Veranstaltungen zu verwenden. Der Frage nach einem Streikrecht und „anständiger Bezahlung“ für kirchliche Mitarbeiter wich Jungkunz aus: Es sei ein „erst begonnener Prozess“.

Ein weiterer begonnener Prozess: Glück als Wirtschaftsfaktor wird immer deutlicher wahrgenommen. Diese Einschätzung stammt von Professor Ruckriegel. Wobei „Glück“ zu verstehen sei als „Wohlbefinden in den Lebensumständen“. Dafür ausschlaggebend ist die emotionale Ebene, aber auch die kognitive: Derjenige fühlt sich wohl, der für sich Gründe sieht, mit seinem Leben zufrieden zu sein. Das berührt Wirtschaft und Politik. Denn, so Ruckriegel, persönliche Freiheit, materielle Sicherung, Beschäftigung, Rahmenbedingungen, sich gesund zu erhalten, dies alles gehöre zu den Glücksfaktoren. Arbeitgeber, so der Glücksforscher, sollten diese Glücksfaktoren sichern, denn Mitarbeiter, die mit ihrer Stelle zufrieden sind, erhöhen Produktivität und Gewinn. Das ist längst gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis.

Das Leitbild des „ehrbaren Kaufmanns“ kehrt als „Corporate Social Responsibility“ also soziale Verantwortung im Unternehmen, ins Management zurück. Es ist der Gegenentwurf zur neo-liberalen Wirtschaftslehre vom „Shareholder Value“ als höchstem Ziel des ökonomischen Handelns.

Glücksforscher Ruckriegel ließ kein gutes Haar an den Neo-Liberalen: Ein Irrweg, den man hätte vermeiden können. Denn dass Wachstum ohne gerechte Verteilung kein Ziel des Wirtschaftens sein kann, hat Ludwig Erhard schon 1957 formuliert. Der Irrweg hat nach Ruckriegel in die Krise geführt: Die Menschen verhalten sich eben nicht eigennützig und rational, wie die „reine Marktlehre“ postuliert, sondern emotional. Sie reagieren über und agieren erwartungsgesteuert. Dies hätte man laut Ruckriegel schon aus dem Platzen der New-Technology-Blase kurz nach der Jahrtausendwende lernen können. Aus der Finanzkrise müsse man aber lernen: Märkte brauchen staatliche Regulierung.

Soziale Verantwortung

Es ging nicht nur um Wirtschaft und ihre soziale Verantwortung für das kollektive Glück. Ruckriegel ließ die individuellen emotionalen Glücksaktivitäten nicht aus, mit denen man seiner These nach Glück auch trainieren kann — wenn erwähnte Grundbedingungen stimmen. Optimismus ist demnach förderlicher fürs Glück als Pessimismus. Man sollte sich Ziele setzen auf dem Lebensweg, ewige Grübeleien vermeiden, Dankbarkeit üben, Vergeben lernen, seine Hilfsbereitschaft stärken, im Hier und Jetzt leben. Glaube beziehungsweise Spiritualität machen Glück leichter erreichbar und gelungene Beziehungen zum Partner wie zu Freunden sind eigentlich der halbe Weg. So der Glücksforscher, der am Schluss Goethe bemühte: „Sieh, das Gute liegt so nah“.

Womit wir wieder bei Lachs und Wein wären, die den von Gotthard Eichstädt und Pfarrer Oliver Schürrle eingeleiteten Abend beschlossen. RAINER GROH

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