ERH: Erstaunliche Renaissance der Alarmsirenen

12.1.2016, 18:03 Uhr
ERH: Erstaunliche Renaissance der Alarmsirenen

© Foto: Ralf Rödel

Nicht nur die Stadt Nürnberg installiert, wie unsere Zeitung berichtet hat, wieder Sirenen. Im Landkreis haben einige Kommunen seit 2012 ebenfalls Sirenen gekauft und aufgestellt, wie eine Nachfrage im Landratsamt ergab.

Dass dies damit zusammenhängen könnte, dass Kriege und Konflikte immer näher rücken, das Verhältnis der Großmächte wieder erkaltet und „Jahrhundertfluten“ in immer kürzeren Abständen auftreten, ist eine etwas weit hergeholte Vermutung. Matthias Görz, der Leiter des Sachgebiets öffentliche Sicherheit in der Kreisbehörde, das auch für Katastrophenschutz zuständig ist, hat aber sechs Landkreisgemeinden in der Kartei, die Warnsirenen betreiben.

Davon ist die Stadt Höchstadt, eine Flächengemeinde mit weit verstreuten Ortsteilen, die einzige, die alle Anlagen weiter betriebsbereit behalten hat, als man Ende 1992 das bundesweite — und teure — Alarmsystem abbaute und die Zivilschutz-Sirenen den Gemeinden kostenlos überließ. 40 000 Sirenen wechselten damals den Besitzer.

Auf Betrieb verzichtet

Weil der Weiterbetrieb auf Kosten der jeweiligen Gemeinden ging, hat ein Großteil der Gemeinden, so Matthias Görz, auf den Weiterbetrieb verzichtet und die Sirenen entweder von den Dächern geholt oder abgestellt. Heute hat die Stadt Herzogenaurach wieder fünf Sirenen der neuen elektronischen Bauart, die weniger Energie verbrauchen als die alten — Höchstadt vier, Heroldsberg zwei, Adelsdorf, Heßdorf und Eckental je eine — für lokale Gefahrenlagen wie Brände.

Die Gemeinden sind auch für die Warnung ihrer Bürger vor Gefahren zuständig. Dies regelt das Landesstraf- und Verordnungsgesetz. Betrifft eine größere Gefahrenlage mehrere Gemeinden, muss das Landratsamt als Katastrophenschutzbehörde handeln und großflächig warnen.

Wie, das liegt nach dem geltenden Katastrophenschutzgesetz im Ermessen des Landkreises. Und in ERH setzt man laut Görz nicht auf Sirenenalarm, sondern auf Rundfunk-Durchsagen. Auf diesen Weg haben sich auch Bund und Länder nach dem Abbau des Zivilschutz-Sirenennetzes geeinigt. Grund: Bei Katastrophen und auch im sogenannten Verteidigungsfall biete der Rundfunk die Möglichkeit, mit der Warnung Verhaltensmaßregeln durchzugeben. So sieht man es auch im Landratsamt. Neue Sirenen seien eigentlich nicht nötig, so kommuniziert es die Katastrophenschutzbehörde auch an die Gemeinden, wenn diese, wie jüngst Uttenreuth, anfragen und wissen wollen, ob der Landkreis die Kosten mitträgt. Diese liegen bei den Gemeinden, die Sirenen für sich doch für nötig halten.

Überdies gibt es im Landkreis auch keinen „Störfallbetrieb“, der ein Sirenen-System eventuell rechtfertigen würde — ein Chemiewerk zum Beispiel, von dem erhöhte Katastrophengefahr ausgehen würde. Die Schaeffler Werke in Herzogenaurach und Höchstadt sind laut Görz nicht in diese Kategorie eingestuft.

Nur eine Restgefahr

Von einem anderen Störfallbetrieb geht seit Juni 2015 ebenfalls weniger Katastrophengefahr aus: Das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld ist seither abgeschaltet. Freilich droht noch eine „Restgefahr“ (Landratsamt) durch die Abklingbehälter der Brennelemente, die mangels Endlager wohl noch länger am unterfränkischen Standort bleiben werden. Seit dem Herunterfahren des Zivilschutzes — in Höchstadt unterhielt der Bund bis zum Ende des Kalten Krieges ein Behelfskrankenhaus und ein Ausrüstungslager — wurde offenbar nicht mehr detailliert für atomare Katastrophen vorgeplant.

Nach dem GAU von Fukushima, so das Landratsamt, hat die Innenministerkonferenz nun aber eine „Rahmenempfehlung“ erlassen zur Evakuierung der Bevölkerung. Seitdem muss auch ERH, wie alle Landkreise, auf Evakuierungen vorbereitet sein.

In der sogenannten „Zentralzone“ von fünf Kilometern im Umkreis um das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld leben 27 000 Menschen. Müssten diese evakuiert werden, hat der Landkreis nach dem Verteilungsschlüssel Unterkünfte für 1400 Personen vorzuhalten. Dies ist, so Matthias Görz, in ERH möglich. Allein Beherbergungsbetriebe böten rund 2500 Bettenplätze, als Verteilerstellen seien Schulturnhallen vorgesehen.

Neben dem Evakuierungsplan gibt es laut Görz auch einen Katastrophenschutz-Sonderplan zur Verteilung von Kaliumjodid-Tabletten über die Feuerwehren.

Keine Kommentare