Neumarkt kurz vor dem Ansturm der Piraten

NEUMARKT - Die Oberpfalz ist ein offensichtlich guter Landstrich für maritime Ideen: In Schnaittenbach im Landkreis Amberg-Sulzbach hat eine florierende Hochsee-Reederei ihren Sitz, und in Neumarkt treffen sich an diesem Wochenende über 2000 Piraten zu ihrem Bundesparteitag — in der Stadt am alten Ludwig-Donau-Main-Kanal.

Pökelfleisch und Schiffszwieback wird man auf den Frühstücksbüfetts der hiesigen Hotels deswegen aber nicht finden. Komplett ausgebucht sind die Herbergen der Stadt: Etwa 660 Betten bietet Neumarkt, schätzt Roland Schelhorn vom Altstadthotel Stern. Die sind von Freitag bis Sonntag zu einem Großteil fest in Piratenhand, darunter auch die Unterkünfte im Kloster St. Josef. Ein Teil der Versammlungsbesucher hat sich für weniger Komfort, aber kurze Wege entschieden und nächtigt nach der Parteiarbeit in den Jurahallen gleich gegenüber in der Turnhalle der Mittelschule West.

Piratige Sonderwünsche seien bei ihm noch nicht geäußert worden, sagt Schelhorn. Er glaubt, dass Neumarkt von dem Bundesparteitag, der sicher überregional in den Medien Beachtung finden wird, profitieren könnte: Die Stadt und die Sehenswürdigkeiten seien gepflegt und einladend. Die Wirte, meint er, werden große Vorräte brauchen, denn die vielen Besucher werden nach der Arbeit auch gern essen, trinken und feiern wollen, wie es auch beim Klöppelkongress in Neumarkt 2008 zu erleben war – wenn auch die inhaltlichen Schwerpunkte der Klöpplerinnen und der Piraten etwas auseinanderliegen.

Bildungspolitik ein Schwerpunkt

Ihr Programm zur bayerischen Landtagswahl stellen die Piraten am Samstagabend im New Berlin Club vor: Neben den klassischen Piratenthemen wie Datenschutz, Freiheit und Bürgerrechte sei in Bayern die Bildungspolitik eine der inhaltlichen Säulen, sagt Volker Münch, der Sprecher des Landesverbands. Die Piraten fordern eine Reform des Systems mit mehr Entscheidungsfreiheit, sagt Münch. Im Programm ist auch die Forderung verankert, im Sexualkundeunterricht Pornografie zu thematisieren, weil Kinder und Jugendliche gerade im Internet damit konfrontiert seien; weitere Schwerpunkte seien der Netzausbau, niedrigere Hürden für Volksbegehren und mehr Transparenz im Landtag. Außerdem wollen die Piraten die Trennung von Staat und Kirche forcieren und etwa die stillen Tage abschaffen. Bis zu 30 Gramm Cannabis für den Eigenbedarf sollen für Volljährige legal sein, so lautet ein weiterer Punkt.

Mit ihren Spezialgebieten präsentieren sich im New Berlin Club dann auch die Spitzenkandidaten der bayerischen Bezirke.

Die bundespolitischen Themen werden die Piraten vorher beschäftigen: Über 280 Anträge sind bis zur Frist am 28. April eingegangen und sollen nun, nach Themenblöcken geordnet, in Neumarkt besprochen und verabschiedet werden. Das klingt nach längeren Diskussionen, aber Volker Münch ist optimistisch. Über Liquid Feedback, ein Computer-Programm, mit dem die Piraten kommunizieren, seien die Anträge schon bekannt und teilweise diskutiert, jeder habe sich bereits eine Meinung bilden können, sagt Münch.

Auch Personalfragen sind in der Partei, die mit dem Slogan Themen statt Köpfe wirbt, zu klären: Der bisherige Bundesgeschäftsführer Johannes Ponader hat nach einigen Querelen seinen Rückzug angekündigt, nun wird in Neumarkt neu gewählt. Ein aussichtsreicher Kandidat ist Andi Popp aus Ingolstadt.

Wer die Diskussionen und die Atmosphäre des Piratenparteitags selbst erleben möchte, sei eingeladen, sagt Münch. „Zum Beispiel nach dem Pfingstjahrmarkt“, setzt er hinzu. Er stammt aus Postbauer-Heng, für ihn ist der Parteitag also ein Heimspiel.