Perspektive des Kindes ist das Wichtigste

10.4.2009, 00:00 Uhr
Perspektive des Kindes ist das Wichtigste

© Nibler

Dass die Sichtweise des Kindes unterrepräsentiert sei und Eltern zu lange auf einen Verhandlungstermin warten müssten, seien die Hauptprobleme bei Sorgerechts- und Umgangsprozessen, so Jürgen Rudolph, Familienrichter im Ruhestand aus Cochem-Zell. Deshalb hatte er nach dem von ihm mitentwickelten Cochemer Modell gearbeitet.

Erste entscheidende Maßnahme sei demnach, sicherzustellen, dass ein erster Gerichtstermin innerhalb der ersten beiden Wochen nach der Antragstellung statt finde und beide Elternteile dort die Möglichkeit haben, alles vorzubringen, was ihnen auf dem Herzen liegt. Diese frühe Intervention verhindere zum einen, dass beide Parteien beginnen, «schmutzige Wäsche» zu waschen. Außerdem sei dies für alle Beteiligten von entscheidendem psychologischen Vorteil, da kein langes Warten an den von der Trennungssituation sowieso schon strapazierten Nerven zehre.

Der nächste Schritt sei, das Jugendamt dazu zu verpflichten, bis zum ersten Gerichtstermin mit beiden Eltern in Kontakt zu treten, was eine aktuelle Beurteilung der Situation in der ersten Verhandlung zuließe.

Dann werden die beiden Eltern sofort zu einer Beratungsstelle geschickt, mit der sie versuchen müssen, sich außergerichtlich auf eine Regelung zu einigen. Weigert sich eines der Elternteile, muss dieses mit entsprechenden Sanktionen rechnen.

Erst wenn auch die Beratung nicht fruchte, wird in einem zweiten Prozess, der etwa drei Monate nach dem ersten statt findet und dessen Termin den Eltern unbedingt schon am Ende der ersten Verhandlung bekannt zu geben ist, von richterlicher Seite über eine Regelung entschieden.

Durch diese Verfahrensweise, so Rudolph, verhindere man in vielen Fällen, dass die Situation eskaliere, da die Eltern stets einen konkreten Termin in einem absehbaren Zeitraum bekämen und mit beiden aktiv an einer Lösung gearbeitet wird.

Erforderlich seien jedoch die konsequente Mitarbeit aller Beteiligten. Anwälte und Richter müssten sich genauso verlässlich an die Absprachen halten wie Jugendämter und Beratungsstellen. Neumarkt sei allerdings noch nicht bereit, das Cochemer Modell ein-zu-eins umzusetzen. erklärte Familienrichter Alfred Weber und erläuterte zusammen mit Zivil- und Familienrichterin Eva Gebauer den Leitfaden, der ab sofort am Neumarkter Familiengericht umgesetzt wird.

So wird ab sofort innerhalb von vier Wochen nach der Antragstellung ein erster Prozesstermin statt finden und die Zusammenarbeit mit Jugendamt und Beratungsstellen soll intensiviert werden. Man wolle versuchen, sich möglichst einmal im Monat mit allen Beteiligten zu treffen, um über die Umsetzung des Leitfadens zu sprechen.

Weitere 14 Richtlinien sollen sicherstellen, dass Sorgerechts- und Umgangsprozesse in Zukunft auch in Neumarkt zügiger ablaufen, sich mehr am Kindeswohl orientieren und mit weniger Verwaltungsaufwand vonstatten gehen.