Vergewaltigung war frei erfunden

22.10.2015, 18:00 Uhr
Vergewaltigung war frei erfunden

© Rurik Schnackig

Dass es keinen Freispruch für die angeklagte Frau geben konnte, war Konsens einer Besprechung, zu der auch Verteidiger Gunther Kellermann hinzugezogen worden war. Dabei einigte man sich auch darauf, auf einen dritten Verhandlungstag und die Anhörung weiterer Zeugen zu verzichten.

Davon konnte Kellermann seine Mandantin zwar überzeugen, aber nicht davon, ein Geständnis abzulegen. „Sie ist in der Nummer, in die sie geraten ist, gefangen. Sie kommt da jetzt noch nicht raus“, vermutete der Anwalt. Richter Danny Schaller sah es in seiner späteren Urteilsbegündung ähnlich.

Beschützende Arme des Vaters

Das Urteil selbst fiel milde aus. Die junge Frau muss 80 Arbeitsstunden für eine gemeinnützige Einrichtung ableisten und ein Jahr weiter in psychologischer Behandlung bleiben. Nach der Urteilsverkündigung stürzte sie sich schluchzend in die beschützenden Arme des Vaters. In dieser die Familie dominierenden Person sehen auch die zwei vom Gericht zu Rate gezogenen psychiatrischen Gutachter das Kernproblem.

Worunter der Vater vermutlich Zuneigung und Fürsorge verstand, das mag, vermutete auch Staatsanwältin Laura Heinz, die unsichere Tochter mit einem wenig ausgeprägten Selbstvertrauen, unterdrückter Sexualität und dem überwältigenden Bedürfnis, es allen recht zu machen, erdrückt haben.

In seiner Zeugenaussage malte der Vater des Mädchens eine heile Familienidylle und sprach von einem perfekten Verhältnis zu seiner Tochter. Perfekt, wenn sie getan habe, was er wollte, sagen andere. War das nicht der Fall habe er mit Liebesentzug gestraft, während die Mutter wortlos daneben stand.

Einem Kollegen anvertraut

Ihren Ausgang nahm die bedauerliche Geschichte bei einem Gespräch der jungen Frau mit einem Kollegen. Dem erzählte sie von einem Fummelversuch eines Dritten. Das, habe sie ihm erklärt, mache ihr aber wenig aus. Sie sei das gewohnt. Seit Jahren würde sie vom Ehemann ihrer Patentante missbraucht.

Der Vertraute tat „fatalerweise“, wie Richter Schaller es ausdrückte, das Richtige und wandte sich an die Polizei. Die war, da es sich um den Vorwurf einer sehr ernsten Straftat handelt gezwungen eine Anzeige aufzunehmen. Das brachte den Stein ins Rollen.

Widersprüche entdeckt

Nach ihrer ersten Vernehmung durch die Kripo wurde der Bekannte zu seiner Verblüffung mit den Vorwürfen konfrontiert, die sein bisheriges Leben auf den Kopf gestellt hätten, hätten sie sich bewahrheitet.

Doch weil die Kripo Regensburg akribisch arbeitete und in Details unauflösbare Widersprüche entdeckte, wurde plötzlich der Spieß umgedreht. Die junge Frau wurde ihrerseits nun der falschen Beschuldigung angeklagt.

An all diese Folgen habe sie möglicherweise gar nicht gedacht, als sie sich bei ihrem Kollegen vielleicht nur interessant machen wollte. Sie könnte auch versuch haben, so eine psychologische Erklärung, für die sie belastenden Auseinandersetzungen in der Familie unter dem Mantel scheinbarer Harmonie einen externen Sündenbock zu suchen. Den habe dann der ältere Bekannte abgeben müssen.

Schlimmes erfahren

Doch ihre Geschichte reimte sich nicht zusammen. Unglaubwürdig blieben die Verletzungen in der Hand, die ihr der Peiniger angeblich zugefügt habe, ungeklärt blieb die Schlüsselfrage, wie er in die Wohnung gelangen konnte und wie er sicher sein konnte, von den Eltern nicht erwischt zu werden.

„Ich bin sicher“, sagte Richter Schaller schließlich, „Ihnen ist etwas Schlimmes angetan worden. Aber nicht von dem Mann, den sie beschuldigt haben.“

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