1. August 1967: Schlager-Wettbewerb um Kunden

1.8.2017, 07:00 Uhr
1. August 1967: Schlager-Wettbewerb um Kunden

© Gerardi/Launer

Aller Schwarzseherei zum Trotz bewies die Bevölkerung aus Stadt und Land, daß sie den Begriff von der Konjunkturflaute kaum kennt und daß sie kauft, was sie braucht – allerdings mit dem deutlichen Trend zur marktgerechten Preiswürdigkeit.

Gleich früh um acht – auch der angenehmen Morgenkühle wegen – setzte der Sturm auf die "Bastillen" ein. Zielsicher streben die Kennerinnen der Materie jene Tische an, auf denen seit eh und je die günstigsten Sonderposten gestapelt sind, bildeten dort ein schier unübersichtliches Knäuel und zerrten an sich, was nicht niet- und nagelfest war. Bei einer Theke mit Oberhemden für 3 DM das Stück schlugen sich die ihre Männer liebenden Gattinnen sogar mit diesen Textilien gegenseitig auf den Kopf. „Ach, grafft ham die!“, erzählt die sicherlich heute noch erschöpfte Verkäuferin.

Schuhe für vier D-Mark

1. August 1967: Schlager-Wettbewerb um Kunden

© Gerardi/Launer

In einem anderen Kaufhaus – mittlerweile wurde dort ein kostenloser Saunabetrieb geboten – tobte der Kampf um Schuhe für 4 DM und um Hüte für 1 bis 2 DM, die sich meist ältere Damen wie Jongleure auf die Ondulation stülpten. Egal, was aus der Haarpracht wurde. Eine Bäuerin aus Sendelbach, die in schmucker Tracht und mit wachem Blick das reichhaltige Angebot musterte, ließ sich von der hektischen Atmosphäre nicht anstecken. Sie kaufte für die ganze Sippschaft ein und zog nur dann die prallgefüllte Geldtasche unterm Mieder hervor, wenn sie das Kaufobjekt restlos überzeugte.

In fast allen großen Häusern – Einzelhandelsgeschäfte wickelten den Betrieb am ersten Ausverkaufstag ruhiger, aber zügig ab – wurde dem männlichen Personal gestattet, seinen Kunden in Anbetracht der Hitze im „kleinen Bieranzug“ zu bedienen, das heißt also ohne Jackett, aber mit Schlips und Kragen. Die Verkäuferinnen, Studentinnen und gelernte Aushilfskräfte eingeschlossen, konnten dabei weniger Freizügigkeit genießen – wie auch? – ; mit Anstand und Sitte quälten sie sich durch den strapaziösen Tag Tempogeladen war die ganze Stadt: softiger denn soft quoll das Speiseeis aus den Maschinen; der Verkäufer fiel bei dem Andrang fast um.

Am Weißen Turm suchte der Standschaffner nach neuen Fahrscheinblocks; sein Vorrat ging schon um 11 Uhr zu Ende. Nachschub mußte her. Ein Techtelmechtel gab‘s vor der Theke, an der hübsche Meterware für eine Mark pro Elle feilgeboten wurde: ein „Blümchen-Coupon“ war am Ende, und um den Rest wurden dann Frauen zu Hyänen: „Geh zou, bei derer Figur ...“

Tatsächlich bildet dieser Ausverkauf – trotz der vorausgehenden Sonderverkäufe – noch immer ein echte Chance: Textilien, Lederwaren, Badezubehör, Geschirr, Teppiche und Gardinen sind im Preis so scharf kalkuliert, daß sich jetzt das Zugreifen lohnt. Besonders günstig werden die bald verblassenden Minikleider in Schockfarben angepriesen, denn die Mode ändert sich und die Geschäftsleute wollen – schon im Hinblick auf die Mehrwertsteuer – ihre Lager frei haben.

Wenn die für hiesige Breitengrade schier tropischen Temperaturen anhalten, kann dieser Inventurverkauf zum großen Erfolg führen.

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