1. März 1967: Ruinen umgeben das Dürer-Haus

1.3.2017, 07:00 Uhr
1. März 1967: Ruinen umgeben das Dürer-Haus

© Gerardi

Seither schlossen sich auch viele ärgerliche Lücken. Zahlreiche Pläne nahmen greifbare Formen an: die Tage der Kulturverein-Ruine sind beispielsweise schon gezählt. Das „Bratwurst-Röslein“ in der Nachbarschaft der Rathäuser entsteht größer und schöner als zuvor. Wer von der Kaiserburg zum Pilatushaus hinuntersteigt, kann die renovierte Rückfront eines Hauses an der Oberen Schmiedgasse bewundern. Aber es gibt trotzdem noch dunkle Punkte auf der weißen Weste, meist zwischen schmucken Neubauten gelegen, so daß sie Fremden besonders ins Auge fallen.

Gerade in der Umgebung des Albrecht-Dürer-Hauses ist nicht alles zum besten bestellt. An einigen Stellen gilt der abgewandelte Spruch: „Vorne hui und hinten pfui!“

Ringsherum: Moos und Gras

1. März 1967: Ruinen umgeben das Dürer-Haus

© Gerardi

An der Oberen Schmiedgasse geben zwei neue Häuser den Rahmen für ein trauriges Bild her. Unmittelbar neben dem Gehsteig erheben sich die grauen Überreste eines Gemäuers. Wo sich einst der Fußboden befand, wächst jetzt Moos und Gras. Auseinandergebrochene Fensterflügel hängen windschief in den Angeln und vermorschte, zerschmetterte Balken setzen dem „Idyll“ unterhalb der Nürnberger Burg gewissermaßen die Krone auf.

Der Blick fällt außerdem in eine finstere Grube, die im Laufe der Jahre offenbar als Schuttabladeplatz gedient hat. Auf der „Talsohle“ liegen durcheinander alte Bettgestelle, Matratzen, mit undefinierbaren Dingen gefüllte Säcke, verknautschte Körbe, Kisten und Blechbüchsen. „Ich frage mich, ob dieses Haus aus romantischen Gründen stehengeblieben ist, oder ob der Eigentümer kein Geld hat, es instandsetzen zu lassen. Der Geruch nach Abfall ist so penetrant, daß ich mir nicht denken kann, dies sei ein absichtliches Arrangement im alten Nürnberger Stadtbild“, schrieb eine Besucherin aus Stuttgart, die obendrein die dahinterliegende Hausfassade einer Erneuerung wert fand, wenn auch dort die freundlichen Gardinen den Anblick mildern.

Der Eingang ist vermauert

Ein Stückchen weiter, auf dem stimmungsvollen Platz vor dem Tiergärtnertor, richten sich zwar Jahr für Jahr die Kamera-Objektive ungezählter Besucher der Stadt auf die Sehenswürdigkeiten. Sie fangen dabei aber auch eine handtuchschmale Ruine ein, die sich engbrüstig zwischen der Gaststätte „Schranke-Schlenkerla“ und der Sebaldus-Apotheke erhebt. Der Eingang ist vermauert und die Fensterhöhlen sind leer.

Einen noch schlimmeren Anblick bietet aber die unmittelbare Umgebung des wiederaufgebauten Albrecht-Dürer-Hauses. Auf einem abgeräumten südlichen Nachbargrundstück sammelt sich neben anderem Unrat eine Unzahl ausgedienter Reifen. Zwei demolierte schwere Limousinen warten auf den Abtransport an den Ort, an den sie hingehören: auf den Schrottplatz. Außerdem befinden sich westlich davon entlang der Neutormauer noch immer Ruinen und Behelfsbauten, die vom hölzernen Wehrgang herab besonders gute Einblicke in ihr verfallenes Innenleben gewähren.

Ein besonderer Anlaß

Wenn in einigen Jahren zum 500. Geburtstag des großen Nürnberger Meisters viele Fremde zu seinem Haus pilgern, in dem er 19 Jahre lang gelebt und bis zu seinem Tode am 6. April 1528 unvergängliche Werke geschaffen hat, sollte es anders aussehen als heute, mehr als 20 Jahre nach dem Krieg. Dazu ist freilich auch der gute Wille der Grundstücksbesitzer notwendig. Es kann für alle Nürnberger schließlich keinen besseren Anlaß als gerade das Dürer-Jahr geben, sich ihrer Verpflichtung an ihr Erbe und ihre Traditionen bewußt zu zeigen.

Dafür sollte kein Opfer zu groß sein, zumal letztlich die gesamte Bevölkerung die Zeche bezahlen muß, wenn die Stadt vor den Augen der Gäste nicht oder nicht besser bestehen kann.

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