1. März 1968: Stein bekommt einen „Edelstein“

1.3.2018, 07:00 Uhr
1. März 1968: Stein bekommt einen „Edelstein“

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4000 bis 5000 Menschen kann die vom Nürnberger Architekten Richard Bickel entworfene Steiner Trabantenstadt aufnehmen, die im unmittelbaren Anschluß an den bestehenden, überwiegend jungen Ortsteil Deutenbach südlich vom Neuwerker Weg entsteht.

"Künftig wird es Alt-Stein und Neu-Stein heißen", erklärte gestern abend 1. Bürgermeister Joseph Dümmelbeck in der Sitzung des Bauausschusses, bei der die Pläne einstimmig gutgeheißen wurden. Ebenso gut hätte das Gemeindeoberhaupt sagen können: Stein bekommt einen "Edelstein".

Der nahe Kanalhafen, der Anfang des nächsten Jahrzehnts in Betrieb genommen wird, hat die Steiner ermutigt. Sie rechnen nicht ohne Grund mit einer schnellen wirtschaftlichen Entwicklung des Gebietes im Süden der Großstadt Nürnberg, denn – gleichlaufend mit der jetzt schon beginnenden Industrieansiedlung – werden massive Zuzugstendenzen sichtbar.

Für den Plan von Architekt Richard Bickel, der auf einer vom Gemeindebauamt zusammen mit dem Nürnberger Architekten Hans-Werner Jurck entworfenen städtebaulichen Studie beruht, waren lange Vorarbeiten erforderlich. Das ausgewählte Gelände von rund 17 Hektar – jetzt noch Ackerland – besitzt einen herrlichen Hang zum Rednitztal und wird durch Landschafts- und Wasserschutzzonen von der übrigen Umgebung abgeschirmt.

Städtisch wohnen und doch nach wenigen Schritten schon in der ländlichen Umgebung zu sein: das ist einer der Vorzüge der Wohnanlage, für die der Planer eine gesunde Mischung aus verschieden hohen und unterschiedlich gegliederten Baukörpern vorgesehen hat. Die Palette vom niedrigen Einfamilien-, Reihen-, Ketten-, Atriumhaus über das höhere Mehrfamilienhaus bis zum 17geschossigen Block im Herzen der Siedlung läßt keine Monotonie aufkommen. Von den oberen Geschossen des Hochhauses tut sich ein weiter Blick über das Nürnberger Hafengebiet hinweg bis in die Fränkische Schweiz auf.

Selbstverständlich gehören ausreichend öffentliche und private Parkplätze, ein Einkaufszentrum mit dem Friseur, dem Supermarkt, der Apotheke, der Post und der Bank zur neuen Siedlung, die voraussichtlich in fünf Bauabschnitten errichtet wird. Ein Hotel, das benachbarte Gemeindezentrum für die evangelische Kirche und die 16klassige Volksschule samt Aula und Turnhalle, mit deren Bau ebenfalls heuer begonnen wird, vervollständigen das Programm von Format.


Neu aber zumindest in diesem Ausmaß und in dieser Art für Süddeutschland: die insgesamt 1241 Wohnungen der verschiedenen Größen werden allesamt durch Nachtstrom-Speicheröfen beheizt, so daß es keine Schornsteine mehr gibt.

Nur einen Schönheitsfehler entdeckt der Betrachter. Die Drähte, die sich durch das gestern im Bauausschuss gezeigte Modell zogen, sollen keine O-Bus-Linie darstellen. Damit ist die 110-kV-Freileitung des Bayernwerkes angedeutet, die mitten durch die Wohnanlage verläuft.

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