1. November 1967: Ruf der Reformation wirkt weiter

1.11.2017, 07:00 Uhr
1. November 1967: Ruf der Reformation wirkt weiter

© Gertrud Gerardi

Die Botschaft von Bayerns Landesbischof zum Thema „Reformation und moderne Welt“ ging weit hinaus über die Nürnberger Gemeinde, denn der festliche Gottesdienst in St. Sebald wurde noch am gleichen Abend vom Zweiten Deutschen Fernsehen in die ganze Bundesrepublik übertragen.
Im schlichten Lutherrock mit dem Kreuz Christi auf der Brust, stellte das geistliche Oberhaupt von Bayerns Protestanten bei seinem Rückblick auf „einen grundlegenden Augenblick in der Geschichte der Christenheit“ die scheinbar ketzerischen Fragen: „Wie paßt reformatorischer Christenglaube in diese unsere Welt?“ – „Eignet sich in einer Welt mit ihren verschiedenen Gruppierungen, Blöcken und Ideologien, dieser östlichen und westlichen Welt, der reichen und der armen Völker, der unterentwickelten und der hochentwickelten Nationen, die im letzten Drittel des Jahrhunderts zum großen Wettlauf auf das Jahr 2000 angesetzt hat, für uns noch die 450 Jahre alte Rüstung der Reformation: ‚Ein feste Burg ist unser Gott᾿ – ‚Mit unserer Macht ist nichts getan᾿, wo doch alles auf Leistung ankommt – ‚Und wenn die Welt᾿ – diese moderne Welt, die uns so mitreißt – ‚voll Teufel wäre᾿ – ‚Das Wort sie sollen lassen stahn᾿?“


Antwort mit Arthur Miller


Solchen Zweifeln setzte der Bischof im Jupiterlicht der Scheinwerfer eindeutige, klare Antworten entgegen. Falls im Jahre 2000 diese moderne Welt noch stehe, falls sie bis dahin nicht noch wüster geworden sei, als es die alte Stadt Nürnberg im Jahre 1945 war, empfahl er mit Luther der verantwortlichen Generation für ihre innere Ausrüstung den Satz aus dem Katechismus: „Wir sollen Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen.“ Denn die Furcht Gottes, der Gottesglaube, ist das Gebet. Das Wort dieses Gottes, das 1517 als Ausrüstung gut war, dürfte auch1967 nicht verachtet werden, denn „Gott ist immer noch vor und nach uns da!“

1. November 1967: Ruf der Reformation wirkt weiter

© Gertrud Gerardi

Die Botschaft „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das durch den Mund Gottes geht“, treffe die moderne Welt an ihrer empfindlichsten Stelle. „Ist sie nicht eben an diesem Punkt über die Reformation hinausgewachsen? Haben wir nicht unser eigenes Wort, längst gefunden?“, fragte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands, um mit dem amerikanischen Schriftsteller Arthur Miller zu antworten: „Ich habe das Leben immer als eine Art Gerichtsverhandlung betrachtet, als eine ewige Beweisaufnahme. Jetzt weiß ich, daß die Katastrophe für mich in dem Augenblick begann, als ich aufsah und der Richterstuhl war leer. Was blieb? Nichts als endloses Selbstverhör, ein sinnloser Prozeß, der vor einem leeren Richterstuhl geführt wurde.“

Der Landesbischof warnte die Menschen, die selbst Gott und die „ohne Gott gegen Gott wie Gott“ sein wollen, mit dem Zitat eines russischen Literaten: „Wir haben uns lange genug Gedanken über den Menschen gemacht. Es ist Zeit, an Gott zu denken!“ Ein Christenmensch sei ein freier Herr aller Dinge und niemand untertan – durch den Glauben. Und ein Christenmensch sei ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan – durch die Liebe. „Ich finde keine modernere Antwort auf die große moderne Frage nach der Freiheit“, rief D. Hermann Dietzfelbinger seiner Gemeinde zu.

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