5. August 1967: Die Algen sind schuld

5.8.2017, 07:00 Uhr
5. August 1967: Die Algen sind schuld

© Gertrud Gerardi

Der kurzfristige Ausfall dieses einen großen Schwimmbeckens tut jedoch einem neuen Besucherrekord in den städtischen Freibädern keinen Abbruch. Schon jetzt wurde mit über 400.000 Badelustigen die Zahl von 1964 erreicht, die der beiden letzten Jahre weit übertroffen. Wenn das schöne Sommerwetter anhält, werden Mitte September mindestens 600.000 Menschen die Pforten der Schwimmanlagen passiert haben. Wie kam es zu der Entwicklung im Stadionbad? Fachmann Dürschner weiß darüber zu berichten, daß sich schon bei einer Wassertemperatur von 18 Grad Algen bilden. Bei 21 bis 22 Grad vermehren sie sich, und ab 23 Grad kommt es zur Bebrütung. Das Badeamt versuchte verzweifelt, die Temperatur in dem sechs Millionen Liter Wasser fassenden Becken zu reduzieren, indem es täglich 500.000 bis 700.000 Liter eiskaltes Wasser zulaufen ließ. Aber die Sonnenbestrahlung war zu stark. Am Mittwochabend war die Wassertemperatur auf 25 Grad hochgeklettert. Ein idealer "Nährboden" für die Sporenpflanzen, zumal noch die gewittrige Schwüle dazukam.

1928 hochmodern

"Obwohl das Wasser biologisch völlig einwandfrei war, mußten wir es ablassen, denn eine Sichttiefe bis zur Bodensohle muß gewährleistet sein. Diese Sicherheit aber war nicht mehr gegeben", erklärte der Badeamtsleiter. Er verweist auch darauf, daß das Stadionbad, das, als es 1928 seine Tore öffnete, mit einer olympischen Medaille ausgezeichnet wurde, inzwischen von der Zeit überholt worden ist. Damals besaß das Bad noch keine Aufbereitungsanlage. Die Becken wurden durch den Langwassergraben über einen Vorwärmeteich gespeist. Aber in zwei bis drei Tagen war das Wasser trüb.

Deshalb wurde das Stadionbad 1934/35 mit einer Aufbereitungsanlage ausgestattet, die in der Stunde 200 Kubikmeter bewältigte. Das genügte aber bei weitem noch nicht, denn in 30 Stunden wurde der Beckeninhalt nur einmal umgewälzt. Alle drei bis vier Wochen mußte neu aufgefüllt werden. Dabei gingen jedesmal drei bis vier Tage für den Badebetrieb verloren.

1950 wurde endlich eine neue Anlage mit einer Stundenleistung von 600 Kubikmeter eingebaut. Bei den jeweils nur kurzen heißen Perioden in den letzten Jahren genügte das vollauf. "Aber wenn es wochenlang heiß ist, wie in diesem Jahr, brauchen wir unbedingt eine Umwälzanlage, die 1000 Kubikmeter schafft. Sie würde die sechs Millionen Liter Wasser im Stadion in sechs Stunden umwälzen", meint Hanns Dürschner. Er verweist dabei auf die neuzeitlich ausgerüsteten Anlagen Freibad West und Naturgartenbad in Erlenstegen, wo selbst bei den größten Hitzewellen keine solchen Schwierigkeiten auftreten. Keine verlängerte Badesaison?

Gestern früh wurde dem unerwünschten Tang zuleibe gerückt. Eine Nürnberger Reinigungsfirma erklärte sich spontan bereit, ihr neues Verfahren im Kampf gegen die Algen auszuprobieren. Mit einem antibakteriellen Mittel, das mit 35 Atmosphären Druck aus den Rohren schoß, wurden die Algen weggespült. Außerdem bewaffneten sich das Personal und auch viele Badegäste mit Schrubbern und reinigten das große Becken.

5. August 1967: Die Algen sind schuld

© Gertrud Gerardi

Allerdings machen nicht nur die Algen dem Badeamt Kummer. Viele Badegäste scheinen die Schwimmanlage mit einem Müllplatz zu verwechseln. Bierbecher, Zigarettenschachteln, „Eissteckerla“ und dergleichen mehr im Wasser stellen ihnen nicht gerade das beste Zeugnis aus. "Soviel Personal können wir gar nicht auf die Beine bringen, um alles sofort wieder sauber zu machen", sagt Dürschner.

Wegen des Personals wird es kaum eine Verlängerung der Badesaison geben, auch wenn die Sonne in der zweiten Septemberhälfte mit unveränderter Stärke vom Himmel glühen sollte. Dazu der Badeamtsleiter: "Unsere Leute sind nunmehr schon seit neun Wochen von früh 6 Uhr bis abends 21 Uhr im Einsatz. Allein vom sozialen Gesichtspunkt aus gesehen, müssen wir ihnen ihren wohlverdienten Urlaub zubilligen!"

5. August 1967: Die Algen sind schuld

© Gertrud Gerardi

Nun, soweit ist es ja noch nicht. Ab Sonntag steht auch das Schwimmbecken den "Wasserratten" wieder zur Verfügung. Seit gestern abend sprudelt das erfrischende Naß aus allen Rohren. "Allerdings wird das Wasser nicht mehr so warm sein", freut sich Dürschner. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß das gute, alte Stadionbad auch heuer wieder mit 11.000 Besuchern an einem Tag die Spitze hält. West erreichte "nur" 9000, das Naturgartenbad gerade 8000 Gäste. Insgesamt aber hat das Freibad West alles überrundet: schon 200.000 "Wasserratten" suchten in diesem Sommer in seinen Fluten Abkühlung.

Deshalb ist man im Badeamt von Kopf bis Fuß auf Rekord eingestellt. Der Rekord von 400.000 Besuchern wurde jetzt schon erreicht. Über 600.000 sollten es am Ende der Saison sein. Das hat es in Nürnberg noch nie gegeben.

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