11. Dezember 1967: Geschäfte meisterten Ansturm

11.12.2017, 07:00 Uhr
11. Dezember 1967: Geschäfte meisterten Ansturm

© Helmholz

Wir sind als Zuschauer dabei. Was wir erleben, lässt sich mit geringen Abweichungen auf den gesamten Einzelhandel übertragen, auf Fachgeschäfte wie auf Warenhäuser.

In einem Kaufhaus im Süden der Stadt, lassen wir uns vom Strom der Kunden mittragen. "Es riecht gut", sagt uns um zehn Uhr unser Begleiter von der Geschäftsleitung. Ein Blick auf den Besucherstrom bestätigt ihm zu diesem Zeitpunkt, daß die Strategen der Verkaufsschlacht fürs erste richtig disponiert haben.

Aus Erfahrungswerten der Vorjahre hat man den Personalbedarf errechnet. Der Stab der Stamm-Mitarbeiter wurde um etwa ein Drittel verstärkt. Die Reserven bilden Frauen, die sonst 20, 25 oder 30 Stunden Teilzeitarbeit in der Woche verrichten und für die langen Samstage mobilisiert werden. Zu dieser Gruppe gesellen sich "Ehemalige", die nach ihrer Heirat aus dem Verkäuferinnenberuf ausgeschieden sind, sich aber in den Wochen vor Weihnachten in alter Verbundenheit gerne ein Taschengeld verdienen möchten.

11. Dezember 1967: Geschäfte meisterten Ansturm

© NN

Um acht Uhr hat sich das erste Aufgebot hinter den Ladentischen postiert. Wenn zwischen zehn und elf die zweite Phalanx anrückt, verschwindet die erste ins Personalkasino zur Tischzeit. Der Kunde bemerkt den Wechsel nicht, die Kassen klingeln weiter. Allgegenwärtige Experten beobachteten die "Wachablösung" und dirigieren mit der Ruhe und Gelassenheit von Verkehrspolizisten Verkäuferinnen und Verkäufer von weniger belagerten Tischen zu den Brennpunkten des Weihnachtsgeschäfts.

Um zehn Uhr erhofft sich die Führungsspitze des Hauses auch schon die ersten Hinweise auf die allgemeine Tendenz im Geschäft des Jahres. Wie wirkt sich die wirtschaftliche Rezession des Jahres 1967 aus? Wieviel haben die Käufer für Weihnachten auf die hohe Kante gelegt? Wurden die Gratifikationen schon ausgezahlt? Kurz: wird es besser, wird es schlechter als im Vorjahr? Eine Vorhersage konnten weder Hellseher noch Computer geben. Deshalb ist das Rennen um die Gunst der Käufer in diesem Jahr besonders spannend. Wir werden uns bewusst, wie hochgeschätzt wir im Grunde sind, wenn wir uns aufmachen, um Geschenke einzukaufen. Das Personal weiß es. Freundlich sein heißt das Gebot der Stunde - und wenn einmal irgendwo eine Nerven-Sicherung durchbrennen sollte, so darf Überforderung als mildernder Umstand gelten.

Gehende und sprechende Puppen

Tatsächlich ist um zehn Uhr schon eine wichtige Vorentscheidung gefallen. Besonders gefragt sind - ganz wie erwartet - Spielzeug, Wintersportartikel, Pullover, Handschuhe und typische Geschenke. Bei Spielwaren bestätigt sich die Erfahrung: am ersten Samstag kommen die eigenen Kinder dran. Väter und Mütter suchen große Stücke aus, Plüschtiere, auf denen man schaukeln kann und die sich vorwärts bewegen lassen, sprechende und gehende Puppen mit raffiniert versteckten Batterien in der Brust, ferngesteuerte Autos, Rennbahnen und Eisenbahnen. Für die Nichten und Neffen kaufen die Leute erst später, wenn sie Zwischenbilanz gemacht haben.

Um elf Uhr "riecht es im ganzen Haus noch besser". Vor Weihnachten ist zwar jeder Artikel als Geschenk prädestiniert, aber es bilden sich Schwerpunkte, etwa in der Skiabteilung, wo Skilehrer die Kunden beraten, in der Elektroabteilung, wo Lichterketten für Christbäume angeboten werden, vor den Süßwarenständen und auch in der Schmuckwaren- und Goldabteilung. Das Angebot ist überall verlockend, die Qual der Wahl überkommt sichtlich die vielen, die ohne bestimmte Vorstellungen zum Einkaufen auszogen.

Zwischenbilanz am Mittag

"Bitte Fräulein, packen Sie mir‘s schön ein", verlangen die Kunden heute - und damit demonstrieren sie im Weitergehen, dass sie fürs Christkind unterwegs sind.

Kurz nach Mittag wird zum ersten mal Kassensturz gemacht. Der Optimismus ist berechtigt, stellen die Abteilungsleiter fest. Weiter so, denn das Weihnachtsgeschäft ist nun eben mal die Ernte eines langen und heuer von negativen Tendenzen überschatteten Jahres. Zum Glück ist das Wetter ideal, der Nachmittag berechtigt zu den besten Hoffnungen: der Nachschub rollt aus den Lagern und Magazinen an.

18 Uhr: Feierabend. Alle Beteiligten haben nun schon zwei Stürme gut überstanden. Im Sanitätsraum, wo die Betriebspflegerin auf Abruf bereitsteht, musste niemand versorgt werden. Heute ist das Verkaufspersonal auch keinen Dieben auf die Spur gekommen.

"Vielleicht weil die Langfinger wussten, daß wir besonders aufmerksam sind", stellen die Verantwortlichen fest.

Bilanz des ersten langen Samstags vor Weihnachten: das Vorjahresergebnis wurde erreicht. Die Käufer haben auffallend viele Artikel aus den mittleren Preislagen gewählt und damit angekündigt, was die nächsten Tage und Wochen bringen werden.

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