12. Februar 1966: Liebeserklärung ans Spielzeug

12.2.2016, 07:00 Uhr
12. Februar 1966: Liebeserklärung ans Spielzeug

© Gerardi

Diese Schau der Welt im Kleinen stellt alles in den Schatten, was in dieser Art nach dem Kriege in Nürnberg zu sehen gewesen ist, und nährt die schönsten Hoffnungen auf das künftige Spielzeugmuseum. Die Bevölkerung aber wird endlich einmal dafür entschädigt, daß sie bei der Internationalen Spielwarenmesse stets vor verschlossenen Türen stehen muß.

Wer je einmal eine Puppe ans Herz gedrückt oder Baustein auf Baustein gesetzt, wer je mit sehnsuchtsvollen Augen einen Kaufladen oder eine Eisenbahn im Schaufenster eines Spielwarengeschäfts gemustert hat, wer je Zinnsoldaten marschieren ließ oder in Puppenkleider vernarrt war – hier findet er all das wieder, was ihm in der Kindheit Spaß gemacht hat.

Nach einem ersten flüchtigen Rundgang durch die Ausstellung wissen gestandene Männer und Frauen nicht mehr genau zu unterscheiden, ob sie die Zigeuner-Puppe mit ihrem strähnigen Haarschopf oder der Zirkus in seiner Grellheit mehr an die Träume vergangener Zeiten erinnert haben. "Kind und Spiel" verzaubert und bezaubert, es ist eine Ausstellung, die man gesehen haben muß.

12. Februar 1966: Liebeserklärung ans Spielzeug

© Gerardi

Kinder selbst führen ein in ihre Welt, die sich da niedlich und putzig in der Fränkischen Galerie auftut. Den Gast empfängt schon in der Eingangshalle ein fünf Meter breites Bild der "Spielzeugstadt Nürnberg", wie sie die Buben und Mädchen der 7. Klasse in der Volksschule Scharrerstraße sehen. Leuchtend rot, gelb und blau steht vor ihm das Nürnberg mit seinen trutzigen, alten Mauern, mit seinen engen Gassen und seinem bunten Häusergewimmel. So freundlich farbig können sich nur Kinder eine Stadt vorstellen, aus der das Spielzeug kommt, in der Teddybären geboren und Eisenbahnen gebaut werden.

Die Ausstellung hat, wie sich gleich erweist, nicht den falschen Ehrgeiz, mit der Messe in Konkurrenz treten zu wollen, denn sie zeigt das, womit zu Dürers und bestenfalls noch Großvaters Zeiten gespielt worden ist. Trotzdem läßt sie jeden Besucher noch einmal zum Kinde werden. Sie weckt geradezu den Wunsch, auf das Schaukelpferd zu steigen oder die Puppe aus dem Paris des letzten Jahrhunderts zu streicheln. Die Burg aus Kork und die einstige Nürnberger Hauptwache versetzen den Mann für Minuten in die Zeit, da er ein Knabe war, der Modeladen mit seinen tausend neckischen Kleinigkeiten und die Puppenküche mit den blinkenden Kupfergefäßen erinnern die Frau an ihre Mädchenjahre.

Blick in die gute Stube

Wenn diese Schau auch auf diese Weise ans Herz rührt, so hat sie doch eine tiefere Bedeutung. Über das Puppenhaus kann der Betrachter in die guten Stuben seiner Vorfahren sehen. Er erlebt die Plüsch-Atmosphäre am Anfang dieses Jahrhunderts, und er ist für einen Augenblick in einer Küche des 18. Jahrhunderts zu Gast, in der es noch kein Porzellan gibt. Dem einen mag das winzige Standbild des Kaiser Wilhelm im Salon des Puppenhauses ebenso merkwürdig erscheinen wie dem anderen der Nachttopf, der diskret unter dem Bettrand im Schlafzimmer steht.

Die Buben und Mädchen der Scharrerschule, die mit ihrem Nürnberg-Bild den Paukenschlag am Eingang abgeben, setzen mit originellen Figuren und Masken den Schlußakkord. Wer bis dahin den Marschkolonnen der Zinnsoldaten gefolgt ist und die Gesellschaft reizender Puppen geteilt hat, der ist verliebt, verliebt in das Spielzeug.

Vorgeschmack auf das Museum

Und das sind längst auch alle, die diese Ausstellung geschaffen haben. Selbst Kulturreferent Dr. Hermann Glaser, der sich nicht so leicht vom Gemüt leiten läßt, konnte sich eines Freudenausbruchs nicht enthalten. Er möchte, daß viele, viele Nürnberger begeistert von dieser Welt im Kleinen werden und sich mit ihm auf das Spielzeugmuseum freuen, das sich die Stadt leisten will, obwohl sie es eigentlich gar nicht leisten kann.

"Kind und Spiel" gibt aber schon einen Vorgeschmack auf all die hübschen Sachen, die dereinst im alten Bürgerhaus an der Karlstraße 13 zu sehen sein werden. Zum erstenmal nämlich stellt Dr. Lydia Bayer hier köstlich kostbare Stücke aus ihrer Sammlung aus, die nun der Stadt gehört. Was ihre Mutter in Jahrzehnten zusammengetragen, das findet in Nürnberg den richtigen Platz. Lydia Bayer selbst strahlte übers ganze Gesicht, als sie die Schau fix und fertig sah, die in "unbürokratischer Zusammenarbeit" von Baurat Curt Heigl, dem Leiter des Gewerbemuseums, und Oberbaudirektor Otto Peter Görl, dem Chef des Hochbauamtes, in Szene gesetzt worden ist.

Museumsdirektor Dr. Wilhelm Schwemmer sagte in seiner Eröffnungsansprache rühmend: "Wir können heute eine Ausstellung eröffnen, die nicht wie hier üblich Werke der bildenden Kunst enthält, sondern ein ganz anderes Thema anschlägt und die zugleich einen Höhepunkt im diesjährigen Ausstellungsprogramm der Fränkischen Galerie bilden soll. Daß es sich um etwas Besonderes handelt, zeigt ja schon der gänzlich veränderte moderne Rahmen, den die Galerie eigens hierfür erhalten hat!" Dieser Rahmen allerdings hat die Stadt eine schöne Stange Geld gekostet.

Aber schon stehen Bürger bereit, die das Spielzeugmuseum nach besten Kräften unterstützen wollen. Es hat sich ein Förderkreis gebildet, dem Dr.-Ing., Dr. rer. nat. h. c. Karl Knott vorsteht. Ziel und Zweck dieses Vereins ist es, der Stadt Nürnberg bei ihren Plänen materiell und ideell beizustehen und für die kulturhistorische Bedeutung des Museums im In- und Ausland zu werben. Ein jeder Nürnberger kann sein Scherflein dazu beitragen, daß der Plan "Spielzeugmuseum" bald in die Tat umgesetzt wird. Immerhin wußte Dr. Knott zur Eröffnung der Ausstellung bereits zu vermelden: "Das Kind ist geboren, und es gibt Anzeichen dafür, daß es laufen kann!"

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