13. Juli 1968: Straßenbahn fährt im Defizit weiter

13.7.2018, 07:00 Uhr
13. Juli 1968: Straßenbahn fährt im Defizit weiter

© Bauer

Das öffentliche Nahverkehrsmittel rollt in der nordbayerischen Metropole nach wie vor im Defizit dahin, das 1967 runde 17 Millionen DM beträgt. Außerdem ist es heftig vom Fahrgastschwund befallen worden. Während noch 1966 über 90,2 Millionen Menschen allein in die Straßenbahn stiegen, waren es im letzten Jahr nur noch 82,6 Millionen, die den Schienenweg benutzten.

Ein schwacher Trost bleibt: mit einem Kundenverlust von 8,3 v. H. bewegt sich die VAG noch immer unter dem Bundesdurchschnitt mit einem Minus von 9,5 v. H.

Vier Gründe nennt Oberbaudirektor Dipl.-Ing. Wilhelm Wacker für die Talfahrt. „Zunächst der Individualverkehr, würde ich sagen. Denn die Zahl der Kraftfahrzeuge ist in Nürnberg weiter angestiegen und wirkt sich doppelt aus. Einmal gehen uns die neu dazugekommenen Autofahrer verloren, zum anderen hält die höhere Fahrzeugdichte unsere Straßenbahnen noch mehr auf und macht sie noch weniger attraktiv“, erklärt er, um als weitere Ursachen die Rezession in der Wirtschaft und den damit verbundenen Rückgang an Gastarbeitern ins Feld zu führen.

Kurzstreckenfahrer fallen aus

„Von der Rezession waren vor allem Arbeitnehmer betroffen, die gerade mit uns fuhren, also die finanziell weniger gut gestellten. Außerdem sprangen viele Ehefrauen als Zweitverdiener ab, die mit dem öffentlichen Verkehrsmittel zum Arbeitsplatz gelangten, während der Familienvorstand den Wagen benutzte.“

Dazu kam als spezifisch Nürnberger Grund die Umstellung und Erhöhung des Tarifs. Sie schreckte insbesondere die Kurzstreckenfahrer, die vorher ein Zehntel der VAG-Passagiere ausgemacht hatten. Jetzt bewegen sich viele von ihnen lieber auf „Schusters Rappen“ als für eine Strecke über zwei Stationen eine teure Fahrkarte zu lösen.

So sank die Zahl der Fahrgäste in Omnibus und Straßenbahn zusammen von über 123,5 Millionen (im Jahre 1966) auf 113,8 Millionen (-7,8 v. H.). Zur gleichen Zeit blieben die Einnahmen hinter den Erwartungen zurück. Gegenüber 1966 kletterten sie nur um zwei v. H. auf rund 42,5 Millionen DM. Damit können nicht einmal die Personalkosten (einschließlich der gesetzlichen Sozialleistungen und Versorgungslasten) gedeckt werden, obwohl die Belegschaft weiter abgebaut wurde und am 31. Dezember 1967 nur noch 2.504 Köpfe zählte. Hier gilt auch für die VAG die überall sichtbare Tendenz: trotz zurückgehender Beschäftigtenzahl steigt die Kurve der Löhne und Gehälter unaufhaltsam weiter.

Neuer Vertrag mit Fürth

An der mißlichen Lage der Verkehrs-Aktiengesellschaft ändert auch der neue Straßenbahnvertrag nichts, der inzwischen mit der Nachbarstadt Fürth ausgehandelt wurde und bis zum 31. Dezember 1970 gilt. Die „Kleeblättler“ kommen in der Vereinbarung noch gut weg, denn sie verpflichteten sich, nur 7,5 v. H. des „bereinigten Gesamtverlustes“ der VAG zu tragen. Für 1967 müßten sie bei 17 Millionen DM Defizit rund 1,2 Millionen DM zahlen, aber der Vertrag gilt erst vom I. Januar 1963 an.

Auch der FDP, die von der VAG Überlegungen darüber angestellt wissen will, wie die Kurzfahrer mehr als bisher wieder zum Schaffner gelockt werden können, wird wenig Erfolg beschieden sein. Besonderen Vergünstigungen für kurze Strecken stehen die „eisernen Schaffner“ entgegen, die sich keine Extrawürste gefallen lassen.

So bleibt nur ein ganz kleiner Silberstreif am Horizont. Im S-Bahn- und U-Bahn-Verkehr steigen die Fahrgastzahlen ganz enorm. Bis aber ähnliche Meldungen auch aus Nürnberg kommen, muß die U-Bahn nicht nur in Langwasser, sondern durch die ganze Innenstadt fahren.

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