15. Mai 1967: Die "große Mutter" ist die Stadt

15.5.2017, 07:00 Uhr
15. Mai 1967: Die

© Kammler

Die Mühe beginnt sogar schon zuvor: noch ehe das "Wackerla" auf der Welt ist, holen sich die werdenden Mütter wertvolles Wissen, das sie bei den Schulungskursen - jeweils sieben Doppelstunden am Tag oder am Abend – gewinnen, die gemeinsam von der Stadt und dem Roten Kreuz veranstaltet werden. An jedem Mittwoch zwischen 16 und 18 Uhr sind in der Nunnenbeckstraße 43 Anmeldungen möglich. 387 Mütter und 78 Ehepaare kamen im vergangenen Jahr und nahmen an 32 Lehrgängen teil.

Rund 2.500 DM Zuschuß zahlt die Stadt für diese Kurse, und der materielle Aufwand wirkt gering gegenüber dem ideellen: viele Fürsorgerinnen und andere Fachkräfte sind unermüdlich tätig, um junge Frauen auf ihre Aufgabe als Mütter vorzubereiten, ihnen Ernährung und Pflege des Kleinkindes zu erläutern und neue Tips für die Ausstattung zu geben. Daneben ist in der Frauenklinik jeden Tag ab 15.30 Uhr eine ärztliche Schwangerenberatung möglich. Wer sich gegenüber der Krankenkasse absichern oder fürsorgerische und rechtliche Auskünfte einholen will, kann sich in der Äußeren Laufer Gasse 25, Zimmer 218, informieren.

7000 Kinder je Jahr

Ist das Baby da, die Freude groß und immer noch guter Rat teuer – so gibt‘s kein Verzagen: die 59 Fürsorgerinnen in der Stadt kommen in jedes Haus, das der Storch besucht hat. Sie schauen nicht nur nach dem Rechten, gleichgültig, welchen „Standes“ das Neugeborene ist, sondern sie geben auch sogleich erste Hinweise auf allen Gebieten. Die beflissenen Sozialarbeiterinnen haben dabei viel Lauferei, wenn man bedenkt, daß in der Stadt jährlich rund 7.000 Kinder geboren werden. Die Mitteilungen erhalten sie von den Standesämtern, aber auch von den Hebammen, und der Terminplan ist "g" steckt voll".

37 Briefe für jede Mutter

Jede Fürsorgerin hat aber auch ein Verzeichnis der städtischen Mütterberatungsstellen in der Tasche und verweist die junge Mutter auf eine der ihr am nächsten gelegenen Quellen, wo sie von Kinderfachärzten pflichtgetreu erfahren, wie es um ihr "Bobberla" steht und was Größe, Gewicht und Aussehen des "Mini-Nürnbergers" angeht. Mehr als 70 v. H. aller Mütter kommen im ersten Halbjahr nach der Niederkunft zu den 35 Beratungsstellen, von denen zwei unschöne – nämlich in Langwasser – demnächst verschwinden sollen. Dafür erhalten die Trabantenstädter im geplanten Nachbarschaftshaus an der Reinerzer Straße eine supermoderne Mutter-Kind-Zentrale, und auch in der Innenstadt sind drei Mütterberatungsstellen im Bau.

Aber noch etwas bietet die "Mutter-Stadt": die "Peter-Pelikan-Briefe", liebenswürdig, für jedermann verständlich geschriebene Blätter zum Ablegen in einem (mitgelieferten) Album, die jeder Mutter nach der Geburt ihres ersten Kindes kostenlos zugeschickt werden. 2.764 solcher Briefe, die von fast allen Empfängern – wie eine Rundfrage ergab – als "wirklich hervorragende Erziehungshilfe" bezeichnet werden, sind 1966 von der Stadt versandt worden. 18.000 DM hat das gekostet, und 37 Briefe insgesamt erreichen eine Mutter bis zum sechsten Lebensjahr ihres Kindes. Eine einzige komplette Ausgabe kostet die Stadt 14,09 DM; an weitere Interessenten gibt sie die Schatulle für 12 DM ab.

Die Anlernwerkstätte für berufsunreife Jugendliche macht die Briefe, die im unterschiedlichen Turnus erscheinen – aus Amerika stammend, wo der Pelikan als unser Storch gilt und auf deutsche Verhältnisse umgemünzt – versandfertig, und dort hoffen alle Beteiligten darauf, daß jeder Adressenwechsel ihnen oder dem Jugendamt mitgeteilt wird. So könnte viel Leerlauf vermieden werden.

"Mein Mann und ich lesen die Peter-Pelikan-Briefe gemeinsam und regelmäßig", sagt Frau G. M., die wir in der Mütterberatungsstelle in der Bismarckstraße trafen. "Wir halten den Text für verständlich und nützlich!“, meint Frau U. S: in der Lortzingerstraße, „dieses Geld, das die Stadt ausgibt, lohnt sich wirklich!" Seit November 1964 werden die lustig illustrierten Briefe, die allen modern denkenden Eltern eine Bereicherung ihrer Kenntnisse vermitteln, pünktlich zugestellt. Und – quer durch die Stadt – alle Empfänger sind darüber des Lobes voll. Nürnberg lag "ganz vorn", als die Pelikan-Rezepte in Bundesgebiet zur Verbreitung angeboten wurden.

Die Stadt kümmert sich aber auch um obdachlose, gestrauchelte und verlassene Mütter: sie kommen in Heimen unter, werden von erfahrenen Kräften versorgt und geleitet. Die Familienhilfe im Jugendamt ist ihnen eine gute Wegbereiterin und Patin. "Allen soll doch geholfen werden!", erklärt der neue Leiter dieses Amtes, Direktor Heinz Mösonef, und er räumt ein, daß die Fülle der Aufgaben, die sich auf alle Mitarbeiter verteilt, manchmal schier übermäßig ist und große Anstrengungen kostet.

Verwandte Themen


Keine Kommentare