15. September 1967: Überreste vom Siegesrausch

15.9.2017, 07:00 Uhr
15. September 1967: Überreste vom Siegesrausch

© Ulrich

Das Stadion sah gestern früh aus, als hätten die Wilden dort gehaust: die Ränge waren übersät mit Zigarettenschachteln, Kippen, Streichhölzern, Papierfetzen, alten Zeitungen und Resten von Butterbroten. 35.000 leere und zertrümmerte Bierflaschen setzten eigenartige Farbtupfer im grauen Betonrund. Zwei Tage braucht der Reinigungstrupp des städtischen Sportamtes, um die traurigen Überbleibsel des denkwürdigen Fußballtreffens zu beseitigen.

An den Ausgängen der Sportarena steht Mülltonne neben Mülltonne. Fast hundert prallgefüllte Säcke müssen abgefahren werden, ehe der Schauplatz des Clubtriumphes wieder saubergefegt ist.

15. September 1967: Überreste vom Siegesrausch

© Ulrich

"Es ist verheerend", stöhnt Platzwart Georg Weigler (54), "was nach einem solchen Spiel alles zurück bleibt". Diesmal trennten sich die Besucher meist aus Freude über den Sieg der Clubelf von ihren Sachen, oft geschieht das aber aus Ärger über Fehlpässe der eigenen Mannschaft. Die Alkohol-, Rauchwaren- und Vesperversorgungspakete werfen die Zuschauer achtlos weg, wenn die Vorräte aufgezehrt sind.

Für die Reinigung des Stadions hat das Sportamt 15 Studenten verpflichtet, die gestern schon in aller Frühe Besen und Kehrichteimer schwangen. "Das Taschengeld läßt sich gut aufbessern", erklärt der 27-jährige Achim Kreidenberg, der kurz vor seinem Soziologieexamen steht. Er und seine Kommilitonen arbeiten im Akkord: für die Säuberung der Ränge erhalten sie zwischen 15 DM und 30 DM für jeden der insgesamt 23 Blöcke. Der Lohn ist nicht immer gleich.

"Je nach dem Grad der Verschmutzung gibt es ein paar Mark mehr oder weniger", erläutert Sportamtsleiter Georg Beil. Beim Spiel gegen Karlsruhe (30.000 Zuschauer) wurden für die größten Blöcke 25 DM und nach dem Treffen gegen Hamburg (50.000 Zuschauer) 27 DM bezahlt. Bei Regen gibt es außerdem noch einen kleinen Zuschlag.

Die Arbeit im weiten Rund des Stadions ist fein säuberlich aufgeteilt: den Rasen bringt das Gartenbauamt in Ordnung: die Batterien zurückgelassener Flaschen läßt die Firma einsammeln, die zuvor den Gerstensaft an den Mann gebracht hat. Beim Treffen gegen Mönchengladbach wurden 1.100 Kisten verkauft und außerdem noch etwa 10.000 Flaschen Limonade abgesetzt. Im Durchschnitt werden bis zu 20 Prozent der Flaschen zertrümmert. Der Schwund wird jedoch meist von den Zuschauern gedeckt, die flüssigen Nachschub von zu Hause mitbringen und die Flaschen auf den Rängen zurücklassen.

Die Reinigung des Stadions kostet bis zu 1.000 DM. Diesen Betrag braucht aber der Veranstalter nicht zu berappen, denn er ist in der Miete an die Stadt schon enthalten. Sie beläuft sich auf zehn Prozent der Bruttoeinnahmen – allerdings nach Abzug der Vergnügungssteuer und des Notgroschens.

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