17. Februar 1969: Schnaps kontra Kälte

17.2.2019, 07:00 Uhr
17. Februar 1969: Schnaps kontra Kälte

© Friedl Ulrich

Über drei Stunden hielten sie aus, um die Narren aus Franken, der Schweiz und Tirol auf ihrer einmaligen Parade durch die Innenstadt zu erleben. 3.000 Akteure hatte der Festausschuß Nürnberger Fastnacht diesmal aufgeboten: 22 Musikkapellen und Musikzüge mit über 1.000 Spielern versuchten die Stimmung anzuheizen – doch sie blieb etwas „unterkühlt“. Statt „Ahaa“ zu rufen, hüpften und sprangen die Zuschauer auf ihren Standplätzen, hakten sich frierend bei wildfremden Nachbarn unter und reichten mitfühlend ihren Schnapsproviant weiter.

Sie taten alles, um sich der grimmigen Kälte zu erwehren, und warteten, bis auch der letzte närrische Trupp und der letzte Wagen an ihnen vorbeigezogen war – ein Kompliment für den fränkischen Fastnachtszug.

17. Februar 1969: Schnaps kontra Kälte

© Ulrich

Die bunte Riesenschlange führte die Egerländer-Kapelle Fauska an, die den historischen Büttnerstänzern aus Nürnberg, den Schellenschlagern aus Wattens und den Zottlern, Hexen und Tuxern aus Tirol den Weg bahnte. Hinter schauerlichen Schreckensmasken verbargen sich die närrischen Vertreter aus den Alpenländern, die an mehreren Stationen ihre traditionellen Tänze vorführten.

Manch ein „Hexerich“ wagte zum Gaudium der Schaulustigen einen Seitensprung in die Zuschauerkulisse, um temperamentvoll ein hübsches Mädchen am Wegesrand zu umarmen. Die Gäste aus den Nachbarländern, die Tiroler, die „Pfeifer- und Trommler-Clique“ aus Liestal und die Baseler „Guggenmuusig“-Gruppe waren es in erster Linie, die ursprüngliche Fastnachtsstimmung mitgebracht hatten und denen es auch gelang, die Zu-schauer zum Lachen, oder wenigstens zum Schmunzeln zu bringen.

„Anheizung“ über Lautsprecher

Die fränkische Narrenzunft bot dafür einen bunten Augenschmaus. Die Pappmaché-Experten, Dekorateure und Karikaturisten hatten wieder ganze Arbeit geleistet. Die hohe Politik blieb zwar diesmal vom Spott der Narren verschont, dafür mußte jedoch das kommunale Geschehen herhalten. So wurden das „Kuckucksei am Königstor“, Max Merkel und seine Spieler, der Oben-ohne-Orden, das 9. Schuljahr und viele andere Ereignisse, die zeitweilig die Gemüter erhitzten, gekonnt und liebevoll aufs Korn genommen.

Von exponierter Stelle versuchte Paul Häcker, mittelfränkischer Präsident des Bundes deutscher Karneval, die Stimmung am Hauptmarkt durch den Lautsprecher anzuheizen. So laut er jedoch auch „Ahaa“ rief – nur wenige stimmten in seinen Soloschrei mit ein. Paul Häcker verlegte sich schließlich nur noch auf den schlichten Kommentar – und ließ es dann ganz bleiben; er war heiser geworden, zudem stand ständig jemand auf der Leitung.

Vertrieb sich der Fußtrupp die nagende Kälte durch strammes Marschieren und Tanzen, so ersetzte das fahrende Narrenvolk den Sport durch einen tiefen Schluck aus der Schnapsbuddel. Es war ihm nicht zu verdenken, denn schließlich mußten es die Elferräte, Garden und Prinzenpaare über drei Stunden in ihren „Kabrioletts“ aushalten.

Nur wenigen Zuschauern fiel auf, daß Nürnbergs Tollitäten nicht auf dem Wagen des Festausschusses mitfuhren. Um so stürmischer begrüßten sie das Blumenpaar Gerlinde I. und Valentin I., die Nelken unters Volk warfen. Das Publikum fand es ganz in Ordnung, daß sich das alte Prinzenpaar noch einmal präsentierte. Viele wußten allerdings nicht, daß sie für vier tolle Tage noch einmal auf den Faschingsthron gehoben worden waren.

Den größten Spaß am Vorbeimarsch der Narren hatten die jüngsten Zaungäste. Das Zuschauen war für sie nicht so wichtig wie das Suchen. Die meiste Zeit verbrachten sie zwischen den Beinen der Erwachsenen, wo sie unermüdlich nach im Schnee vergrabenen Süßigkeiten fahndeten. Manch einer bekam jedoch die großzügigen Gaben unsanft am eigenen Kopf zu spüren. Allein 400 Kilogramm Bonbons hatte der Nürnberger Trichter „verfeuert“.

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