17. Mai 1968: Streit wurde mit Gewalt vergolten

17.5.2018, 07:00 Uhr
17. Mai 1968: Streit wurde mit Gewalt vergolten

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Angeklagt sind 18 junge Männer im Alter von 18 bis 27 Jahren, denen vorgeworfen wird, als Stammgäste eines Lokals an der Schwabacher Straße dort und in anderen Gaststätten randaliert, Gäste belästigt, Schlägereien provoziert und weitere Straftaten begangen zu haben. Ende November 1966 beschafften sich mehrere Beschuldigte Hundehalsketten, die sie bei ihren "Einsätzen" als Schlagwaffen verwendeten. Im Dezember 1966, um die Jahreswende 1966/67 und im Januar 1967 häuften sich die Untaten der Bande in erschreckendem Maße.

In der Anklageschrift sind insgesamt 15 Fälle genannt, in die Beschuldigte mehr oder weniger aktiv verwickelt waren. Je nach Beteiligung wird ihnen schwerer Landfriedensbruch, Landfriedensbruch, Beihilfe dazu, gefährliche Körperverletzung, Aufruhr, Auflauf, Beleidigung, Nötigung, Amtsanmaßung und anderes vorgeworfen.

Zehn Anwälte verteidigen die Angeklagten, von denen der jüngste nicht zur Verhandlung erschienen war. Gegen ihn wurde Haftbefehl erlassen. Sechs Beschuldigte verbüßen zur Zeit schon früher verhängte Jugend- oder Gefängnisstrafen, die übrigen befinden sich auf freiem Fuß. In strafrechtlichem Sinn sind drei Jugendliche, zehn waren zur Tatzeit Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren, fünf waren bereits Erwachsene. Da letztere jedoch weniger belastet sind, wurden auch sie vor der Jugendkammer angeklagt.

Eigentumsdelikte, Raub und Körperverletzung

Gestern vormittag ließ sich das Gericht unter Vorsitz von Landgerichtsdirektor Dr. Rudolf Brunner die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten schildern. Dabei ergaben sich bemerkenswerte Parallelen. Nur zwei von den 17 anwesenden Beschuldigten haben nach der Schulzeit eine Lehre mit der Gesellenprüfung abgeschlossen. Die übrigen brachen die berufliche Ausbildung aus nicht näher erörterten Gründen ab, wechselten häufig die Arbeitsplätze und machten – mit einer Ausnahme – den Fürsorgebehörden oder den Strafrichtern zu schaffen.

Eigentumsdelikte aller Art bis zum versuchten schweren Raub und Körperverletzung illustrieren das langsame Abgleiten der jungen Menschen, das oft mit Strafen wegen Schulversäumnis und anderen typischen Jugenddelikten begann. Dazu kommt, daß die familiären Verhältnisse in mehreren Fällen ungünstig sind. Dies trifft vor allem für zwei Mischlinge zu, die es besonders schwer hatten. Einer von ihnen warf sich vor einigen Monaten vor einen Zug. Er hatte genug von seinem Dasein und sagte: "Ich war mir sicher, daß ich weg bin." Jetzt sitzt er mit amputiertem Oberschenkel auf der Anklagebank und ist "jetzt wieder froh".

Ein anderer Angeklagter schilderte dem Gericht, daß er nach Verbüßung von einem Jahr Jugendstrafe einen Zahlungsbefehl über 5.000 DM zur Wiedergutmachung des angerichteten Schadens erhalten habe. Da beschloß er, die Arbeit aufzugeben, "weil das Geld doch geholt wird". Jetzt sitzt er wieder in Ebrach.

Recht und Ordnung

Ihr Pech scheint es gewesen zu sein, daß sie sich an der Schwabacher Straße als Schicksalsgenossen kennenlernten und als Bande aktiv wurden. Ihre Hundehalsketten zierten die Wand der Gaststätte zusammen mit dem beziehungsreichen Spruch: "Wer hier Streit sät, wird Gewalt ernten." Mit sechs derartigen Fällen von Streit und Gewalt befaßte sich das Gericht gestern nachmittag. Drei davon spielten in oder vor dem Stammlokal, und wenn man den Angeklagten glauben darf, so ging es immer nur darum, Recht und Ordnung selbstlos wiederherzustellen. Damit sei die Sache erledigt gewesen.

Dreimal gab es aber auch Schlägereien in Innenstadtlokalen, bei denen Unrecht an einem Kumpel umgehend vergolten wurde. Freundestreue und der Zufall müssen dabei eng zusammengewirkt haben. Bisher gaben nur ein Beschuldigter, der zur Zeit vier Jahre Gefängnis in Amberg verbüßt, und der oberschenkelamputierte Mischling zu, mit ihren Hundeketten zugeschlagen zu haben. Wer noch dabei war, wollte Landgerichtsdirektor Dr. Brunner immer wieder wissen. Wer vor dem Lokal stand, den Rückzug deckte, die Gäste in Schach hielt? Die unmittelbar Beteiligten wußten es nicht, denn "das ist ja schon eineinhalb Jahre her".

Die jetzigen Aussagen wirkten gegenüber Vernehmungsprotokollen vom Winter 1967 reichlich "unwahrscheinlich", wie der Vorsitzende kritisch bemerkte. Den Zeugenaussagen am Montag und Dienstag der kommenden Woche dürfte entscheidende Bedeutung zukommen. Sechs Hundehalsketten wurden gestern nachmittag auf den Richtertisch gelegt. Auf den für Vierbeiner üblichen Namensschildern sind die Spitznamen ihrer Eigentümer eingraviert. Auf einem steht: "Sieben auf einen Streich - Viehhof-Agenten-Abwehr." Jetzt geht es für die Abwehrspezialisten darum, Unbill von sich selbst fernzuhalten. Die Verhandlung wird heute fortgesetzt.

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