18. April 1967: Haus für leichte Mädchen?

18.4.2017, 07:23 Uhr
18. April 1967: Haus für leichte Mädchen?

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Die Kläger, ein Nürnberger Bürger und eine Nürnberger Bürgerin, vertreten die Ansicht, daß es gegen die in der Verfassung gesicherten Grundrechte der Handlungsfreiheit verstößt, wenn ihnen die Stadt Nürnberg es unmöglich macht, das Haus in altgewohnter Weise zu nutzen. Der Hemmschuh, den die Stadt angelegt hat, besteht in der Errichtung von Sperrbezirken, in denen Gewerbsunzucht nicht getrieben werden darf.

Vor seiner morgen zu erwartenden Entscheidung hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof vom Bundesverfassungsgericht feststellen lassen, daß Nürnberg bzw. die mittelfränkische Regierung, aufgrund von Landesrecht zur Einrichtung von Sperrbezirken berechtigt ist. Das Recht fußt auf dem 5. Strafrechtsänderungsgesetz von 1960, das es den Landesregierungen erlaubt, die Gewerbsunzucht in kleineren Gemeinden ganz, in größeren für einzelne Bezirke "zum Schutze der Jugend oder des öffentlichen Anstandes" zu verbieten.

Die Regierung in Ansbach untersagte auf dieser Rechtsgrundlage die Gewerbsunzucht in Schwabach und Ansbach generell, in Erlangen und Fürth auf den Bahnhöfen und deren Vorplätzen, sowie in Nürnberg u. a. innerhalb der Stadtmauer, ausgenommen an der Frauentormauer vom Färber- bis zum Spittlertor.

Das Haus der Kläger steht in dem auf diese Weise entstandenen Sperrbezirk. Ihrer Meinung nach hätte der Sperrbezirk so angelegt werden müssen, daß ihr wiederaufgebautes Haus seinem alten Zweck hätte dienstbar gemacht werden können. Sie wollen die von der Regierung angegebenen Gründe – Rücksichtnahme auf die benachbarten Heime des Christlichen Vereins Junger Männer, der Kolpingsfamilie und der Gewerkschaften – nicht gelten lassen. Ihr Anwalt äußerte gestern in der mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof, bei der Einbeziehung des fraglichen Anwesens in den Sperrbezirk habe der Wunsch der Stadt einen Rolle gespielt, das Grundstück zu erwerben, um es einem daneben liegenden Kaufhaus zur Verfügung stellen zu können.

Nach dem Krieg, so behaupten die Kläger, als es sich darum gehandelt habe, das Haus für die alten Zwecke wieder aufzubauen, sei die Stadt noch anderen Sinnes gewesen. Damals seien noch bestimmte Auflagen gemacht worden, so z. B. die Ausstattung aller Zimmer mit fließendem Wasser.

Die Kläger machen außerdem geltend, daß es ihnen bei der unklaren Situation auch nicht möglich sei, das Haus zu verkaufen. Sie hätten schon mit mindestens neun Interessenten verhandelt, die aber alle angesichts der "grauen Vorgeschichte" des Anwesens vor einem Kauf zurückgeschreckt seien. Heute werden die Würfel fallen.

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