19. Dezember 1966: Band und bunte Mütze

19.12.2016, 07:29 Uhr
19. Dezember 1966: Band und bunte Mütze

© Eißner

In der sonst so geschäftigen Innenstadt bummelten sie mit ihren "Alten Herren" wie in jenen Tagen, da dort noch Pferdegespanne über das Kopfsteinpflaster holperten. Am frühen Nachmittag konnten die Nürnberger als Zaungäste den Thomasbummel ansehen, der nach alter Tradition Jahr für Jahr am letzten Sonntag im Advent stattfindet und Gäste aus nah und fern in der Stadt vereint. Am Abend zuvor hatten die farbentragenden Verbindungen die Lokale bevölkert und der alten Burschenherrlichkeit gefrönt.

Die König- und Karolinenstraße gehörte ihnen am gestrigen Nachmittag, als gestandene Akademiker und ihr Nachwuchs mit dem Zerevis und der Mütze auf dem Kopf, das farbige Band um die Brust einherspazierten. Von der Luitpoldstraße bis zum Hefnersplatz gingen sie in langer Reihe, grüßten einander nach alter Sitte und ließen sich vom übrigen Fußvolk bewundern. Fröhliches Tun sah sie nach einem ausgedehnten Marsch in den Kneipen wieder, wo die "Stiefel" kreisten und die Humpen geleert wurden.

Große Kommerse hatten schon am Samstagabend das traditionelle Treffen der Corps, Burschenschaften, Landsmannschaften und anderer farbentragender Verbindungen eingeleitet. Überall präsidierten die Chargierten und sorgten für den Ablauf der Festlichkeiten nach überliefertem Zeremoniell Mehr als 1000 Kartellbrüder der katholischen Studentenverbindung im CV, darunter Staatsminister Dr. Fritz Pirkl und BRK-Vizepräsident Obermedizinalrat Dr. Bernhard Kläß, erlebten im Festsaal der TSV 1846 den Einmarsch der Chargierten.

Der Vorsitzende des Nürnberg-Fürther CV-Philisterzirkels, Amtsgerichtsdirektor Dr. Paul Bayer, begrüßte die Gäste der meisten deutschen Universitäten. "Eine verantwortungsbewußte Persönlichkeit wächst nur in einer Gemeinschaft", meinte er und bezeichnete die freundschaftliche Verbundenheit unter den Kartellbrüdern als das beste Argument gegen die Gegner der farbentragenden Verbindungen.

In seiner Festrede beschäftigte sich der Vorsitzende der CSU-Stadtratsfraktion, Dr. Oscar Schneider, mit den Zweifeln der Menschen in einer Zeit des Pessimismus und der "Lärmtrompeten des Nichts". "Wenn die Zukunft als Wertzeichen das Atom, als Maßstab Produktionsziffern und als Herrschaft den Automaten anerkennt und eben jene Wissenschaft dominiert, die Maschinen baut, ihren Mißbrauch aber nicht verhindern kann, so bedeutet das dann den Untergang des Menschen auf politischem und geistigem Gebiet, wenn sich der Mensch des göttlichen Gebotes nicht mehr erinnert", sagte er. Der Christ stehe der modernen Naturwissenschaft bejahend gegenüber, weil ihm der Glaube die Angst vor dem Nichts nehme.

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