19. Juli 1967: Ohne Schlips und Kragen

19.7.2017, 07:00 Uhr
19. Juli 1967: Ohne Schlips und Kragen

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Wenn das Thermometer auf 25 Grad im Schatten klettert, dürfen sie ohne Schlips und Kragen auf Streifenfahrt gehen oder zu Fuß ihre Innenstadt-Rundgänge antreten. Die Kleidermode ist dann weniger streng: kurzärmelige und luftig zugeschnittene Sommerhemden ersetzen zugeknöpfte Uniformröcke, die bei der gegenwärtigen Hitzeperiode im Spind bleiben.

Aber nicht nur die blaue Montur macht die Leitung der Schutzpolizei in diesen Hundstagen Konzessionen. Die Vorgesetzten, die von einigermaßen gekühlten Zimmern aus die Polizeistreitmacht auf der Straße dirigieren, denken auch an den Durst ihrer ausgebrannten Mitarbeiter.

Als kühler Trunk steht ein konzentrierter Zitronensaft-Sirup in Reserve. Der Personalrat hat jetzt schon hundert Liter en gros eingekauft und an die schwitzenden Kollegen ausgeteilt. Obwohl viele Beamten lieber einen Schluck Bier zu sich nehmen würden, erfreut sich doch der gelbe Saft zunehmender Beliebtheit. Mit kaltem Leitungswasser verdünnt, ist er im Nu zubereitet.

Die Gratis-Erfrischung ist jedoch, nur für die Beamten im Außendienst bestimmt. „Wer ständig am Schreibtisch sitzt, braucht sie nicht“, erklärt kategorisch ein Polizeisprecher und fügt gleichzeitig auch den Grund für die Enthaltsamkeit in Sachen Zitronensaft hinzu: „Die sitzen doch ständig im Kühlen!“

Aber auch sonst trägt die Leitung der Schutzpolizei der Arbeit unter der prallen Sonne Rechnung. In Sonderanweisungen ordnet sie bei schwülen Wetter an, daß Fußstreifen und Verkehrsposten schneller abgelöst werden als an kälteren Tagen. Außerdem dürfen die Beamten, die alle „mindestens zwei Sommerhemden haben“, mit einer geheiligten Pflicht brechen: während der Fahrt in ihren grün-weißen Wagen können sie die blaue Mütze abnehmen. Sofern sie jedoch die Fahrzeuge verlassen, ist das Tragen der Kopfbedeckung wieder Pflicht.

Nicht nur die Polizei, auch die VAG mildert an Hundstagen den Durst ihrer Mitarbeiter. Schon bei 23 Grad werden jeweils für zehn Tage zehn Beutel Tee, 30 Stückchen Zucker und eine Plastikflasche ausgeliefert. Schaffner und Straßenbahnfahrer können das erfrischende Getränk entweder zu Hause oder im Werk zubereiten. Bisher wurden 2100 solche Rationen ausgegeben. Sie haben eine lange VAG-Tradition beendet, die zwangsläufig „einschlafen“ mußte: bis vor zwei Jahren war kalter oder heißer Tee von Frauen in weißen Kitteln an den Knotenpunkten in großen Kübeln ausgeteilt worden.

Dieses Erfrischungs-Verfahren ist aber nach der Einführung der Großraumwagen nicht mehr möglich, „weil wir jetzt an die Schaffner nicht mehr herankommen“. Zugeständnisse macht auch die VAG an die Kleidervorschriften. „Ist das Straßenbahn-Personal einmal ohne Mütze unterwegs“, erläutert EWAG-Pressesprecher Volkmar Eichholz, „dann ist das auch kein Beinbruch.

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