2. August 1967: „Olympia-Verdächtige“ überall

2.8.2017, 07:00 Uhr
2. August 1967: „Olympia-Verdächtige“ überall

© Friedl Ulrich

Früher: kein Programm für Zwölfjährige Dabei war es dem Leiter des Stadtschulamtes Schulrat Kurt Gemählich, und dem Fachberater für Leibeserziehung, Fritz Ortegel, zunächst nur darum gegangen, auch den Schülern der oberen Volksschulklassen vergnügliche Ferien zu verschaffen. Die alljährliche Betreuung auf den verschiedenen Plätzen auf Stadtgebiet – heuer sind es sieben, auf denen übrigens die erstaunlich hohe Anzahl von 700 Buben und Mädchen versorgt und unterhalten wird – richtete sich eher nach Geschmack und Niveau der Jüngeren; dem wollten die Pädagogen abhelfen.

2. August 1967: „Olympia-Verdächtige“ überall

© Friedl Ulrich

„Wir haben uns zunächst in München umgeschaut“, erläutert Schulrat Gemählich, „dort gibt es Gelegenheit zu Tagesausflügen“. Doch den Nürnbergern schwebte mehr vor. Diese Pläne, so meinen sie, könnten immer noch ins Auge gefaßt werden; sie wollten eine umfassendere Betreuung.

So wurde der Gedanke der Sportstunden geboren. Vereine stellten kostenlos Plätze, Schläger, Bälle, Sättel oder Boote zur Verfügung, der Reitstall Marienberg und der Tattersall Noris seine Pferde, das Sportamt schickte seine Sportlehrer.

„Für diese Art der Ferienbetreuung haben wir den geringsten Teil des Etats gebraucht“, verrät Schulrat Gemählich. Der Stadtrat hatte für das gesamte Unternehmen „Ferien in Nürnberg“ 19 000 Mark angewiesen. Die meisten Kurse kosten die Kinder keinen Pfennig; nur für Reiten und Voltigieren mußte jedes zehn Mark bei der Anmeldung zahlen. Die Stadt indessen legte noch zwanzig Mark dazu.

2. August 1967: „Olympia-Verdächtige“ überall

© Friedl Ulrich

Reiten und Tennis gelten gemeinhin als exklusive Sportarten. Wir haben uns deshalb gerade bei diesen Veranstaltungen einmal umgesehen, als wir eine kleine Rundreise zu den verschiedenen Plätzen unternahmen. Am Reitstall Marienberg hievt Reitlehrer Fritz Dreibrodt sechs Mädchen und vier Buben in den Sattel. Sie sitzen das erstemal in ihrem Leben hoch zu Roß. Von der Galerie schauen stolze Väter und besorgte Mütter zu: „Wird der Gaul auch nicht meiner Kleinen durchgehen?“ Doch die Buben und Mädchen stellen sich recht geschickt an, lassen geduldig vom Reitlehrer die Haltung korrigieren und geben sich sogar beim theoretischen Teil erdenkliche Mühe, das eben Gehörte ordentlich wiederzugeben.

Weniger Exakt und nach Hoher Schule geht es im Tattersall in Erlenstegen zu. Reiterin Ria Tresper hält „Sporelli“ an langer Leine und läßt ihre zehn Kunststückchen: „Propier mal die Mühle!“ Eine Blondzopfige dreht sich auf dem glatten Pferderücken und rutscht schließlich mit hörbarem Plumps in den braunen Torf. „Die Kinder sollen mit dem Pferd vertraut werden, wir lassen sie deshalb erst einmal voltigieren“, erklärt sie. Und die Kinder sind begeistert.

Den weißen Sport haben sich so viele kleine Nürnberger ausgesucht, daß die Anmeldung nach kurzer Zeit gestoppt werden mußte. Jetzt schult Sportlehrer Kurt Günther seine 24 auf den Plätzen des Postsportvereins in zwei Gruppen. Jede beginnt das tägliche, anderthalbstündige Training mit „Trockenübungen“: Schlägerhaltung, Fußstellung, Vorhand – immer wieder macht es Günther der Reihe vor.

Schließlich stellen sich die künftigen Bungerts und Cramms zum gemischten Doppel. Und mit den weißen Hosen und dem berechtigten Stolz auf den (vereinseigenen) Schläger kommen ihnen die tennisüblichen Höflichkeitsfloskeln ganz von selber über die Lippen: „bitte“, tönt es immer wieder bei der „Angabe“. Derber geht es beim Rudern auf dem Dutzendteich zu. Sportlehrer Franz Pelikan schickt die Vierermannschaften und den mutigen „Einer“ schlichtweg aufs Wasser und kontrolliert vom Ufer aus. Die Buben und Mädchen auf dem Trockenen dürfen inzwischen Tischtennis spielen oder sich Bälle holen. So sind in diesem Sommer über 250 Schulkinder als Daheimgebliebenen die umsorgten und freundlich betreuten Sport-Hoffnungen, die unter den Fittichen von Sportamt, Schulamt und Vereinen ihre Ferien verbringen dürfen.

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